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Foto: dpa-Bildfunk

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Nachruf: Eine Stimme für die Anständigen

Zum Tod des britischen Dirigenten Colin Davis.

Mit 13 Jahren hörte Colin Davis eine Schallplattenaufnahme von Beethovens 8. Sinfonie – und beschloss sofort, Dirigent zu werden. Weil seine Eltern zwar Musikliebhaber waren, aber kein Geld für den Klavierunterricht hatten, ohne den man sich nicht in der Dirigierklasse des Royal College of Music bewerben konnte, studierte Colin Davis zunächst Klarinette. Er spielte in vielen Kammermusikformationen, schlug sich einige Jahre ohne feste Anstellung durch und wurde schließlich doch noch zum Dirigenten, als er mit einer kleinen Operntruppe Mozart-Opern einstudierte.

Nur im Orchestergraben könne ein junger Dirigent lernen, was eine musikalische Phrase sei und wie der Atem funktioniere, betonte er später. Die dort nötige Flexibilität komme den Maestri dann auch auf dem Konzertpodium zugute. Mit klaren Gesten koordinierte Davis stets nicht allein den musikalischen Ablauf, er konnte den Musikern auch seine Klangvorstellungen vermitteln, ohne auf den Proben viele Worte machen zu müssen.

Nachdem er 1958 für Otto Klemperer eingesprungen war, wurde Davis bald Musikchef der Sadler's Wells Opera in London, 1971 übernahm er die Königliche Oper Covent Garden. Hier setzte er sich für die Opern von Hector Berlioz ein, die er mustergültig auf die Bühne brachte, bevor er sie für preisgekrönte Schallplattenproduktionen aufnahm. Anfang der achtziger Jahre kam er zum Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, das er nicht mehr nur in München spielen ließ, sondern zu einem Orchester für das gesamte Bundesland machte. Den dunklen Luxusklang der Sächsischen Staatskapelle Dresden liebte er so sehr, dass er viele seiner Aufnahmen mit dem Eliteorchester machte. Die Musiker ernannten wiederum den britischen Maestro in tiefer Dankbarkeit zum ersten Ehrendirigenten in ihrer jahrhundertelangen Geschichte.

Von seinen geliebten Berlioz-Opern musste Davis vor einigen Jahren wegen nachlassender körperlicher Kräfte Abschied nehmen. Die Wiener Klassiker faszinierten ihn aber nach wie vor. Beethovens „Missa solemnis“ blieb für ihn ein überragendes Kunstwerk, weil hier jene anständigen Menschen eine Stimme bekämen, die sonst kaum gehört werden. In der kommenden Spielzeit wollte er in Dresden wieder Mozart dirigieren. Dazu kommt es nun nicht mehr. Am Montag ist Sir Colin Davis 85-jährig in London gestorben. Uwe Friedrich

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