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Nachruf: Zum Tod von Raimund Abraham

Wien hat seine eigene, spezielle Architekturgeschichte. Oder besser: Architektengeschichte. Raimund Abraham wurde von allen verehrt, der Eigenbrötler, der zugleich als akademischer Lehrer einflussreich war, weniger in Österreich als in Rhode Island und seit 1971 in New York. Zum Tod des Architekten.

Dort entstand sein wichtigstes Gebäude – in seinem schmalen Œuvre: das Österreichische Kulturforum in der 52. Straße. Siebeneinhalb Meter schmal, aber 20 Stockwerke hoch, das passte zu dem Schöpfer poetischer Fantasie, als der er in den 70er Jahren Ruhm erwarb. Er zeichnete, ohne auf die Realisierbarkeit achten zu müssen.

„Wenn die Zeichnung als fertige Architekturidee zustande kommt, ist sie das Endprodukt“, hat er mal dekretiert. Der Auftrag für das Kulturzentrum kam überraschend, zuvor war er bei Wettbewerben stets mit einem zweiten Platz ausgeschieden. Zur Einweihung 2002 hatte er die amerikanische Staatsbürgerschaft erworben, um der in Österreich regierenden Koalition aus Volkspartei und Liberalen den Rücken zu kehren. In Wien, wo der 1933 in Linz geborene Abraham nach dem Studium 1960 ein erstes Büro eröffnete, zählte der Bräunerhof zu seinen Stammcafés – das auch Thomas Bernhard zu seiner Tagesstätte erkoren hatte. Abrahams einziges in Deutschland realisiertes Gebäude steht in Berlin: Sein Wohn- und Geschäftshaus in der Friedrichstraße 32/33 wurde im Rahmen der IBA 1984 errichtet.

Am Donnerstag ist Abraham mit 76 Jahren in Los Angeles gestorben, bei einem bislang ungeklärten Autounfall: Sein Wagen kollidierte auf der Stadtautobahn mit einem Bus. Einen der „wichtigsten Weltarchitekten“ nannte ihn jetzt der früher ähnlich widerspenstige, mittlerweile erfolgsgesättigte Kollege Wolf D. Prix von Coop Himmelb(l)au. Das ist freundlich übertrieben: Abraham blieb sich zeitlebens treu und verzichtete auf jede Anbiederung an den Kommerz. Das Bauen habe er „wie eine Zwangsjacke“ abgelegt, sagte er. Die Zeichnung blieb sein ureigenstes Medium. Bernhard Schulz

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