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Kultur: Nachttopf-ABC

Paul DeMarinis Installation im Tesla-Medienlabor

An Holzstäben baumeln 26 puppengroße Skelette wie Hampelmänner an Galgen. Sie tragen rote Stoffhemdchen mit je einem Buchstaben des Alphabets. Elektronisch nach oben katapultiert, springen sie auf und pendeln ihren Fall mit ermattenden Hüpfern aus. Die Puppen sind eine Metapher, die der amerikanische Medienkünstler Paul DeMarinis für unsere Sprache im Zeitalter des Internet entwickelt hat. Seine Installation „The Messenger“, die den Prix Ars Electronica 2006 in der Kategorie interaktive Kunst gewann – die bedeutendste Auszeichnung für Computerkunst –, wehrt sich gegen die Vorstellung, Elektronik wohne eine wechselseitig ausgerichtete Datenvermittlung inne. „Der einseitige Informationsfluss erfordert das Eingreifen durch Menschen und die Einigung zwischen den sozialen Kräften eines Landes“, sagt DeMarinis bei der Eröffnung seiner Ausstellung im Medienkunstlabor Tesla, das seit 2005 als Nachfolgeinstitution des Podewil mediale Kunstprojekte präsentiert (Klosterstr. 68-70, bis 5. 11.; Di-Sa 18-22 Uhr ). „The Messenger“ basiert auf frühen Experimenten zur Telegrafie. Hier werden sie sinnlich erfahrbar. So fangen 26 blumig bemalte Nachttöpfe zu sprechen an. Die auf Stühlen befestigten Schüsseln sind mit je einem Buchstaben des Alphabets verknüpft. Aktiviert, beginnen die 26 Stimmen ihren persönlichen Buchstaben zu rufen. Scheppernd prallen die Laute von den metallenen Resonanzböden der Schüsseln. Bleiben unverständlich, laufen ins Leere wie viele Botschaften unseres elektronisch-rasanten Alltags.

Silke Laux

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