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Soleen Yusef von der Filmakademie Baden-Württemberg Ludwigsburg gewinnt den Hauptpreis mit "Haus ohne Dach".

© dpa

Nachwuchsfilmpreis: "First Steps"-Gala im Zeichen der Verantwortung

Bei der 17. "First Steps"-Gala in Berlin werden vor allem die Frauen unter den Nachwuchsfilmern ausgezeichnet. Viele Gewinner-Filme erzählen von Migranten - der Hauptpreis geht an "Haus ohne Dach".

Verantwortung, sagt die Schauspielerin und Jurorin Claudia Michelsen. Jedes Jahr gebe es ein Thema, das die First-Steps-Filme dominiert, in der Hauptkategorie „Abendfüllender Spielfilm“ sei es diesmal die Verantwortung gewesen. Die elterliche Verantwortung bei der dramatischen Frage, ob man ein schwerstbehindertes Kind zur Welt bringt oder abtreibt – in „24 Wochen“ von Anne Zohra Berrached. Der Film mit Julia Jentsch und Bjarne Mädel (Kinostart an diesem Donnerstag) zählte zu den Favoriten bei den Nachwuchs-Regiepreisen, ging bei der Gala im Berliner Theater des Westens jedoch leer aus. Oder die Verantwortung bei der Suche nach den verschwundenen Kindern eines Küstendorfs - im Science-Fiction „Wir sind die Flut". Oder die Verstrickung eines Polizisten bei einer Mordermittlung - Alexander Costeas „Die Maßnahme“. Und die buchstäbliche Bürde der toten Mutter im Sarg, die ihre in Deutschland aufgewachsenen Kinder zurück nach Kurdistan bringen, sie wollte dort beerdigt werden.

Soleen Yusefs Drama „Haus ohne Dach“, in dem drei Geschwister samt Sarg in die Kriegswirren ihrer irakischen Heimat geraten, gewann den mit 25.000 Euro dotierten Hauptpreis in diesem 17. First-Steps-Jahrgang. Die Absolventin der Ludwigsburger Filmakademie war noch vor zwei Tagen mit "Haus ohne Dach" auf einem Filmfestival im kurdischen Duhok zu Gast, in der Region leben Millionen Flüchtlinge .

Den Ehrenpreis gewinnt das Afrika-Projekt "One Fine Day Films". Auch Tom Tykwer ist beteiligt

„Die Schule ist aus“: Wim Wenders zitiert in seiner Laudatio für den Ehrenpreisträger – das vor acht Jahren ins Leben gerufene Afrika-Projekt „One Fine Day Films“ von Marie Steinmann, Sarika Lakhani und Tom Tykwer – einen Satz aus „Alice in den Städten“. Die kleine Alice sagt ihn 1974 in Wuppertal, als sie Kinder mit Ranzen auf dem Rücken aus dem Schultor kommen sieht, eine dokumentarische Szene. Schöner Gedanke, dass einer der Schüler der Wuppertaler Tykwer sein könnte.

„Die Schule ist nie aus“, das sei hingegen Tykwers Devise, mit seiner unermüdlichen Leidenschaft fürs Filmemachen. „One Fine Day Films“ organisiert Workshops für afrikanische Filmschaffende, regt Koproduktionen an, sorgt für den wechselseitigen Transfer von Knowhow zwischen Europa und Nairobi: auch das ein Beispiel für verantwortliches, nachhaltiges Engagement. Und für Augenhöhe mit denjenigen Menschen, die auch als Flüchtlinge zu uns kommen .
In den sieben weiteren Preiskategorien gewannen fünf Mal die Frauen: Susanne Meures für ihre mutige Teheran-Doku „Raving Iran“, Kamerafrau Luise Schröder für den Roma-Film „Valentina“, Tara Biere für ihr Lissabon-Drama „Fado“ (No Fear Award) und Chiara Grabmayr in der Werbefilm-Kategorie für „Moonjourney“. Keine Produktwerbung, sondern ein Social Spot über ein syrisches Mädchen auf der Flucht, sein Vater suggeriert ihm, die Reise gehe zum Mond. „Every journey tells a story . Let us be the happy end“: Auch Filme selber können Verantwortungsbewusstsein wecken.

"Bewahrt euch eure krasse Fantasie", ruft Schauspielerin Aylin Tezel

Die von der jungen Aktrice Alicia von Rittberg ein wenig unbeholfen moderierte 17. First-Steps-Verleihung litt erneut am wohl unauflösbaren Dissens zwischen den (großzügigen) kommerziellen Sponsoren, die für sich selber werben und eher an frischen Talenten für die Filmindustrie interessiert sind, und den jungen Filmschaffenden, die um unabhängige Handschriften ringen. Die Schauspielerin, Filmemacherin und Schriftstellerin Adriana Altaras befeuert sie darin.

Philipp Fussenegger von der Kunsthochschule für Medien Köln gewinnt den First Step Award bei den mittellangen Spielfilmen. Der Österreicher ging mit dem Pubertätsdrama "Henry" ins Rennen, der Film spielt unter Jungs im Musikinternat.
Philipp Fussenegger von der Kunsthochschule für Medien Köln gewinnt den First Step Award bei den mittellangen Spielfilmen. Der Österreicher ging mit dem Pubertätsdrama "Henry" ins Rennen, der Film spielt unter Jungs im Musikinternat.

© dpa/Jens Kalaene

„Bewahrt euch eure krasse Fantasie“, ruft auch die Jurorin und Dortmunder „Tatort“-Oberkommissarin Aylin Tezel den Preis-Anwärtern zu und freut sich über das Outfit des als Glitzer-Grufti gestylten Österreicher Philipp Fussenegger, Gewinner bei den mittellangen Spielfilmen. „Du schaffst des ned“, haben sie ihm bei seinem Jungs-Musikinternat-Orgel-Punkfilm "Henry" immer wieder gesagt, erzählt er. Und, in schönstem Heimatidiom, an die Adresse von Merkel und Co.: „I bin Österreicher, wenn wir des schaffen, schafft ihr Deutschen des ah.“

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