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Kultur: Nah und näher

„Citizen Kane“, nach Kritikerumfragen noch immer der beste Film aller Zeiten, enthält eine hinreißende Opernsequenz. Eine mittelmäßige Sängerin wird, kurz bevor sich der Vorhang hebt, von Kulissenarbeitern angerempelt und von Scheinwerfern geblendet.

„Citizen Kane“, nach Kritikerumfragen noch immer der beste Film aller Zeiten, enthält eine hinreißende Opernsequenz. Eine mittelmäßige Sängerin wird, kurz bevor sich der Vorhang hebt, von Kulissenarbeitern angerempelt und von Scheinwerfern geblendet. Orson Welles musste nicht einmal übertreiben, um diese tragikomische Wirkung zu erzielen – Oper lässt sich nun mal schwer auf die Leinwand übertragen. Die verzerrten Gesichter der Sänger vertragen keine Nahaufnahme, ihre Gesten erinnern an das Stummfilmpathos, und nicht jede Sopranistin ist so fotogen wie Anna Netrebko.

Von den reinen Opern- und Ballettfilmen aus den sechziger und siebziger Jahren, die das Filmkunst 66 in seiner Klassik-Filmreihe präsentiert, darf man keine eigenwillige Bildsprache erwarten. Es geht vielmehr um den dokumentarischen Versuch, berühmte Bühneninszenierungen für die Nachwelt festzuhalten. Mitunter durchaus mit Problemen: Truck Branss etwa, der spätere „Hitparaden“-Regisseur, wagte sich an Tschaikowskis Ballett Schwanensee (Sonnabend und Mittwoch) und versuchte dabei, den Altersunterschied zwischen Rudolf Nurejew und der deutlich älteren Margot Fonteyn zu kaschieren, den die Opernbesucher kaum wahrgenommen hatten. Andererseits gibt es bedeutende Opern- und Filmregisseure in einer Person; dass sie eine klare Trennlinie zwischen beiden Bereichen ziehen, ist ebenso bemerkens- wie bedauernswert. Patrice Chéreau überließ einem TV-Kollegen die Bildregie, als seine Inszenierung von Wagners Der Ring des Nibelungen – Die Walküre aufgezeichnet wurde (Mittwoch). Ähnlich gespalten der zwischen Neorealismus und Opernprunk schwankende Luchino Visconti: Wenn jemand einen repräsentativen Maria-Callas-Film hätte inszenieren können, dann er.

In Erinnerung an den unlängst verstorbenen Eberhard Esche zeigt das Babylon Mitte Horst Seemanns Beethoven – Tage aus meinem Leben (Sonntag bis Dienstag), ein ungewöhnliches Künstlerporträt, das vor allem mit versteckter Regimekritik aufwartet. Am Beispiel Beethovens, verkörpert von dem Litauer Donatas Banionis, beleuchten Seemann und sein Drehbuchautor Günter Kunert das Verhältnis zwischen Kunst und Macht. Es war das Thema Nummer eins in der DDR, als der Film im Oktober 1976 in die Kinos kam. Die Zuschauer sollten sich nicht von Beethovens Klängen berauschen lassen, sondern über die Grenzen der künstlerischen Freiheit nachdenken.

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