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Kultur: Nahost-Krise: Der Weg fürs Heilige Land

Der Konflikt im Nahen Osten hat eine neue Dimension erreicht. Israelis und Palästinenser befinden sich spätestens nach den Lynchmorden an israelischen Soldaten und den israelischen Vergeltungsangriffen im Krieg.

Der Konflikt im Nahen Osten hat eine neue Dimension erreicht. Israelis und Palästinenser befinden sich spätestens nach den Lynchmorden an israelischen Soldaten und den israelischen Vergeltungsangriffen im Krieg. Welche Chancen hat der israelisch-palästinensische Friedensprozess jetzt noch? Wir befragten den Nahost-Experten Udo Steinbach zu den Perspektiven. Steinbach ist Professor an der Universität Hamburg und seit 1976 Direktor des Deutschen Orient-Instituts.

Wer kann den Krieg jetzt noch stoppen?

Ganz gewiss nicht die beiden Konfliktparteien, die israelische und die palästinensische Seite. Die bewaffnete Auseinandersetzung kann nur gestoppt werden durch intensive internationale Bemühungen. Aber es können nicht allein die Amerikaner sein, sondern es muss eine konzertierte Aktion geben zwischen den Amerikanern, den Vereinten Nationen, den Europäern und den Russen - in Verbindung mit den arabischen Staaten. Ich glaube, dass die Chancen für eine solche Aktion nicht schlecht stehen.

Israelis und Palästinenser verweisen jeweils auf die Gegenseite, die den Konflikt beenden solle. Was ist derzeit von Jassir Arafat und Ehud Barak zu erwarten?

Von denen ist im Augenblick nicht viel zu erwarten. Beide politische Führer verhalten sich verantwortungslos, indem sie Öl ins Feuer gießen. Der eine, Arafat, entlässt die Extremisten aus dem Gefängnis. Und der andere, Barak, tut sich mit einem Extremisten - nämlich Scharon - zusammen, der mitverantwortlich zu machen ist für das, was da geschehen ist. Ich glaube, die politisch Verantwortlichen werden keinen Beitrag dazu leisten können, dass die Gewalt aufhört.

Wer dann? Was sollte die Vereinten Nationen, was sollte der UN-Sicherheitsrat jetzt tun?

Der Sicherheitsrat hat schon etwas Richtiges getan, indem er eine Resolution verabschiedet hat, die die hohe Gewaltanwendung auf israelischer Seite verurteilt hat. Das war ein erster, richtiger Schritt, um vor allem bei der arabischen, palästinensischen Seite Kredit zu behalten.

Welche Ergebnisse haben denn die bisherigen Versuche des Sicherheitsrates und von UN-Generalsekretär Kofi Annan erbracht?

Bis jetzt haben sie noch keinen Effekt erbracht. Man steht ja erst ganz am Anfang der Vermittlungsbemühungen. Es bedarf eines hohen Maßes an Koordinierung zwischen den verschiedenen Akteuren.

Die Position der USA als Vermittlerin ist erschüttert. Welche Rolle kann die Clinton-Regierung noch spielen?

Die Amerikaner sind jetzt gefragt, die israelische Position in Richtung auf eine Deeskalation vor allem des militärischen Verhaltens zu erreichen. Allerdings ist Clinton in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite bricht ein gutes Stück seines außenpolitischen Lebenswerkes in seiner Amtszeit zusammen. Auf der anderen Seite versucht seine Frau, in New York die Wahl als Senatorin zu gewinnen. Das heißt, sie braucht die Unterstützung der israelischen Lobby, was Bill Clinton dazu bringen müsste, stärker die israelische Karte zu spielen - womit er dann wieder auf der arabischen Seite an Kredit verlieren würde.

Und was ist von den arabischen Staaten zu erwarten?

Die arabischen Staaten ergreifen auf der einen Seite emotional Partei für die Palästinenser. Aber andererseits sind sie doch interessiert daran, dass es zunächst zu einer Beilegung der Gewalt und dann zu einer politischen Lösung kommt. Die Araber müssen eine politische Perspektive für den palästinensischen Widerstand eröffnen.

Präsident Mubarak hat sich bereiterklärt, einen Nahost-Krisengipfel einzuberufen. Welche Rolle kann Ägypten spielen?

Ägypten spielt einmal mehr die Rolle des Vorreiters in der arabischen Welt. Es macht sich zur Speerspitze der arabischen Staaten mit Blick auf eine politische Lösung. Ägypten steht allerdings, ebenso wie Syrien, Jordanien und Libanon, unter enormem Druck. Sie sind äußerst daran interessiert, dass die Gewalt deeskaliert, damit der Friedensprozess weitergehen kann. Sie werden nämlich von ihren eigenen Bevölkerungen unter Druck gesetzt, falls die Situation weiter eskaliert. Die Araber alleine können allerdings auch nichts ausrichten. Sie können zu einer Deeskalation allenfalls auf der palästinensischen Seite beitragen. Also muss das arabische Vorgehen ergänzt werden durch Maßnahmen der USA und der Vereinten Nationen auf israelischer Seite.

Und was sollten die EU-Staaten tun?

Europa hat seine guten Karten auf der arabischen, auf der palästinensischen Seite. Hier läge es an den EU-Staaten, Arafat zu einem rationalen Verhalten zu bringen. Europa muss jetzt die Initiative ergreifen. Die Europäische Union hat viel zu lange nicht gehandelt und ist sehenden Auges in die Katastrophe hineingesteuert. Man hätte versuchen müssen, früher eine Alternative oder zumindest eine Ergänzung zur amerikanischen Vermittlung zu finden. Jetzt müssen die Kontakte zur palästinensischen Seite genutzt werden. Die sind gut, weil wir die Palästinenser wirtschaftlich alimentiert haben. Die Europäische Union muss Arafat dazu bringen, nicht weiter Öl ins Feuer zu gießen.

Würden die Konfliktparteien derzeit ein Eingreifen von außen akzeptieren?

Ja, sie würden. Das trifft für die palästinensische Seite zu, die ja nur eine Perspektive hat, nämlich die, von den Israelis platt gemacht zu werden, wenn die Gewalt eskaliert. Das trifft auch für Arafat zu, der sich sagen muss, dass er an Einfluss verliert, wenn die Gewalt weiter eskaliert. Und dass er am Ende möglicherweise als politischer Führer der Palästinenser in den Hintergrund tritt. Und auch Barak muss ein Interesse haben, dass die Gewalt deeskaliert. Einmal, weil Israel sich ein hohes Maß an Gewalt international nicht leisten kann. Zweitens, weil Barak so gezwungen wäre, sich ähnlich wie Arafat mit den Radikalen zu solidarisieren, was wiederum seinen Handlungsspielraum für eine Deeskalation einschränken würde.

Ist die Hoffnung berechtigt, dass es schon in den kommenden Tagen zu einer Deeskalation des Konfliktes kommt?

Ja. Ich bin optimistisch, dass in den kommenden zwei, drei Tagen die Perspektiven deutlicher werden, wie der Friedensprozess fortgeführt werden kann.

Wer kann den Krieg jetzt noch stoppen?

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