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© Albrecht Grüß

Nantes nach Berlin: Zum Einheitsjubiläum kommen die Riesen

Puppen-Show feiert die Einheit: Wenn man sie nur auf Fotos sieht, kann man es sich kaum vorstellen: Wie bewegend es ist, wenn eine der wunderbaren Riesenmarionetten der Französischen Theatergruppe "Royal de Luxe" ihre Klimperaugen aufschlägt und einen schweifenden Blick über die Wartenden wirft.

Die Menschen jubeln, Kinder fangen an zu hüpfen, die Polizisten an der Absperrung lächeln selig. Und sobald sich die Kleine Riesin zu ihrer vollen Größe von fünfeinhalb Metern erhebt und ihren Zeitlupengang durch die Stadt beginnt – zweiundzwanzig „Liliputaner“ helfen an Seilzügen –, folgt ihr eine glückliche Menschentraube durch die Stadt. Stundenlang.

Dabei tut die Kleine Riesin gar nicht viel, außer groß zu sein. Und ihren verlorenen Bruder zu suchen. Und mit künstlichen Lungen rührend zu atmen. Und wenn sie müde ist, steigt sie in ein verrostetes Schiff und schaukelt durch die Gassen wie durch die Kanäle einer märchenhaften Wasserstadt. Und wie selig ihre Zuschauer sind: Endlich darf der Mensch klein sein, ohne gleich Angst haben zu müssen, manipuliert zu werden, endlich staunen, ohne für naiv zu gelten!

Dieser Tage feiert „Royal de Luxe“ Generalprobe in Nantes, gedacht ist das sanfte Spektakel aber für Berlin. Rund um den Nationalfeiertag am 3. Oktober erzählen die Kleine Riesin und der Große Riese die Geschichte der – überwundenen – deutschen und Berliner Teilung als Märchen. Einst wurde die Stadt von Meeresungeheuern in zwei Teile gerissen, und nun gibt es nach langer Trennung ein Wiedersehen. Die Kleine Riesin wird vor dem Roten Rathaus erwachen, der Große Riese, zehn Meter hoch und 2,5 Tonnen schwer, wird aus der Spree gezogen, und schließlich sollen die Marionetten, von der Straße des 17. Juni und Unter den Linden kommend, sich am Brandenburger Tor vereinen.

In Nantes, wo „Royal de Luxe“ seit zwanzig Jahren zu Hause ist, wird der Puppenerfinder Jean-Luc Courcoult geliebt wie ein Clown und verehrt wie ein Schamane. Gratis stellt man ihm eine Werkstatthalle zur Verfügung und sperrt die halbe Stadt ab, wenn er seine Geschöpfe zum Leben erweckt. Was selten genug vorkommt. Denn meistens reist er mit ihnen um die Welt, nach Afrika, Asien, oder, wie demnächst, nach Berlin. Zur Spielzeit Europa, der Theatersaison der Berliner Festspiele, kommt „Royal de Luxe“ in die Stadt – und da „ortsspezifische Erzählungen“ zu den Prinzipien der Compagnie gehören, lag die Metaphorik der Wiedervereinigung auf der Hand. Keine Frage, die Puppen aus Stahl und Linden- und Pappelholz dürften ein Millionenpublikum bewegen: mit der sanftesten Stadtverzauberung seit der Reichstagsverhüllung.

Die Riesen kommen vom 1. bis 4. Oktober nach Berlin.

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