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Kultur: Neil Beltons Biographie über Helen Bamber

Dem irischen Schriftsteller Neil Belton gelingt es in einer untypischen Biografie, das engagierte Leben von Helen Bamber nachzuzeichnen. Auf sensible Weise beschreibt er die Person, lässt er die Gequälten zu Wort kommen, denen Bamber geholfen hat.

Dem irischen Schriftsteller Neil Belton gelingt es in einer untypischen Biografie, das engagierte Leben von Helen Bamber nachzuzeichnen. Auf sensible Weise beschreibt er die Person, lässt er die Gequälten zu Wort kommen, denen Bamber geholfen hat.

Helen Bamber kam mit 19 Jahren für das Jewish Relief Unit nach Deutschland, um Überlebenden der Konzentrationslager zu helfen. In einem displaced-persons Lager kümmerte sie sich um Menschen, denen man alles geraubt hatte und deren Zukunft völlig ungeklärt war. "Mir ging erst nach langer Zeit auf, daß man wirklich nichts weiter tun konnte, als ihnen beizustehen, zuzuhören und das Ganze aufzunehmen, als wäre es ein Stück von einem selbst; mit diesem Aufnehmen und Bekunden, dass man für sie da war, tat man etwas Nützliches", erinnert sich die heute 75jährige.

Doch die Erfahrung, helfen zu können, ermutigte Helen Bamber, sich auch in England, nach ihrer Rückkehr aus Deutschland, für Gewaltopfer und Gefolterte einzusetzen. Ohne eine therapeutische Ausbildung, aus reiner Anteilnahme und mit dem unbändigen Willen zu helfen, stellte sie sich als "Ohrenzeugin" ehemaligen Kriegsgefangenen in England zur Verfügung, die beim Fall von Singapur 1942 gekämpft hatten. Sie arbeitete mit jüdischen Kindern aus Konzentrationslagern, später mit Opfern einer "grausamen Medizin". Sie hat die medizinische Abteilung von Amnesty International mitbegründet und 1985 die Stiftung zur Hilfe für Folteropfer ins Leben gerufen. Über 17.000 Gefolterte aus 80 Ländern wurden hier aufgenommen. Es ist eine Collage entstanden, die - zugegeben nicht immer einfach zu lesen ist - aber gerade dadurch, dass sie geradlinige Erzählmuster durchbricht, dem widersprüchlichen Thema angemessen ist. "Sie hat den Dreh raus", sagt bewundernd Henry Mc Creath, ein ehemaliger Kriegsgefangener. Bamber schaffte es, dass Menschen nach Jahrzehnten erstmals über ihre Verletzungen sprechen und so ein neues Leben beginnen konnten. Ihr Einsatz grenzt an Selbstaufgabe. Ihre eigene Ehe mit einem deutschen Juden, dessen Verwandte in Konzentrationslager ermordet worden waren, scheiterte daran. Das kollektive Schweigen, gegen das sie zeitlebens kämpfte, konnte sie in ihrer eigenen Familie nicht aufbrechen.Neil Belton: Die Ohrenzeugin. Aus dem Amerikanischen von Hans Günter Holl. S. Fischer. Frankfurt, 2000. 461 Seiten, 49,80 Mark

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