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Kultur: Nelken regnen auf dich herab

PLAKATKUNST

Teufel auch: Dr. Faustus weiß zuviel. Also geht sein Kopf in Stücke wie eine fallende Grabplatte. Der Zeichner, der Christopher Marlowes elisabethanische Faust-Tragödie so auf den springenden Punkt gebracht hat, schätzt Konzentration statt Kopfzerbrechen. „Zeichnen kalibriert das Hirn“, weiß Helmut Brade . Die Kunstbibliothek im Kulturforum gewährt Einblick in seine Produktion experimentierfreudiger Plakate (Kulturforum, Di bis Fr 10-18 Uhr, Sa u. So 11-18 Uhr, bis 14. September). Künstlerische Selbstverwirklichung beiseite – klare Information und ein aufklärerischer Impetus stehen im Vordergrund für den 65-jährigen Grafiker und Bühnenbildner aus Halle. In der DDR konnte Plakatgestaltung mühsam sein. Schornsteine durften nie nach rechts qualmen (Westwind!) und Brades erste Plakatversion für die Film-„Legende von Paul und Paula“ verwarf das Innenministerium, weil mit dem harten Farbkontrast auch die sozialistische Liebe zu schmerzhaft rüberkam.

Das streng stilisierte, aber mit Nelkenregen aufgelockerte Motiv für Benno Bessons „Schöne Helena“ (Volksbühne 1972) dokumentiert gleichzeitig Brades Anfänge im Metier Bühnenbild, das ihn bis heute mit dem Opernregisseur Peter Konwitschny verbindet; dem Gespann gelang an der Hamburger Staatsoper der genialste „Lohengrin“-Streich der 90er, der unter pubertierenden Schülern spielt. Ebenfalls in Hamburg setzten sie Brecht/Weills „Mahagonny“ in Szene, in der Ausstellung ist Brades Plakatmotiv dafür zu sehen. Wie häufig spielt er hier mit dem Motiv des Kopfes: Ätzend wie sonst nur bei Tomi Ungerer amüsiert sich unterm quietschgelben Spaßhut ein grinsendes Gesicht zu Tode.

Jens Hinrichsen

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