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Neu im Kino: Singt ein Lied in allen Menschen

So heiter, so leicht, so weise: In "Das Leben ist ein Chanson", einem Film-Musical von Alain Resnais, geht es um Liebe und Täuschung. Doch wenn es am Schlimmsten ist, fangen Mann und Frau an zu singen.

Ist er nicht zu beneiden? Mit fünfundsiebzig Jahren gelingt Alain Resnais der größte Erfolg seiner Karriere."On connaît la chanson", der Film lief im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale, wurde in Frankreich mit einem wahren Preissegen überschüttet.Sieben Césars insgesamt, dazu der Run auf die Kinokassen, und das mit einem Stoff, der dem Boulevardtheater näher ist als alles andere, was wir von dem auf hohem intellektuellen Niveau arbeitenden Regisseur gewohnt sind.Aber hat er uns nicht schon mit dem Doppelfilm "Smoking / No smoking" (nach Alan Ayckbourn) überrascht? Seitdem hätten wir eigentlich wissen müssen, daß ihm auch eine komödiantisch beschwingte Komödie gelingt - und offensichtlich auch Vergnügen bereitet.Sonst hätte er sich wohl kaum auf ein Projekt eingelassen, das sich ausdrücklich auf die Fernsehserien des Engländers Dennis Potter bezieht. Ihre Spezialität: Am Alltagsleben orientierte Handlungen, die von Musiknummern unterbrochen werden und die Gefühle der Figuren standardisieren.Resnais transponiert die Methode ins Französische.Er benutzt ausschließlich Hits aus Frankreich, immerhin sechsunddreißig Chansons aus sechs Jahrzehnten, die mit Sicherheit jeder (Franzose) kennt und als Zitate inhaltlich mühelos einordnen kann.Mit dem Effekt einer erzählerischen Ironie, die das Geschehen als Klischee einordnet und damit distanziert. In ganz normal ablaufende Dialoge werden Originaltonfragmente, die zur Situation passen, als Playback eingeschoben - mit geradezu hinreißend witziger Wirkung, wenn die Texte bekannt sind.Und meistens sind sie das ja auch, denn immerhin handelt es sich ja um so populäre Interpreten wie Charles Aznavour, Gilbert Bécaud, Maurice Chevalier, Edith Piaf oder France Gall und Sylvie Vartan.Gewöhnungsbedürftig ist es schon, wenn die Schauspieler plötzlich mit geborgten Stimmen singen, besonders wenn aus weiblicher Kehle das Lied eines Sängers ertönt.Hat man aber die erste Verblüffung überwunden, erliegt man sogar der schönen Illusion, Dialog und Handlung werden mit den Musikeinlagen vorangetrieben. Wie in "Smoking / No smoking" ist auch diesmal das Autorenduo Agnès Jaoui / Jean-Pierre Bacri mit von der Partie, auch als Schauspieler und durchaus nicht in Nebenrollen.Alle sechs Parts sind, was den Umfang betrifft, absolut gleichwertig, obwohl die beiden Resnais-Stars Sabine Azéma und Pierre Arditi schon ihrer Popularität wegen im Zentrum stehen.Sie spielen das Ehepaar Odile und Claude, deren Beziehung etwas müde geworden ist, beide beäugen sich deshalb mißtrauisch, weil sie dem Partner Affären zutrauen.Auch Camille (Agnès Jaoui), eine Studentin, die als Fremdenführerin arbeitet, und der Schriftsteller Simon (André Dussollier), er schlägt sich als Immobilienmakler durch, sind nicht so richtig glücklich, obwohl sie es sein könnten.Ihre Beziehung wird von Täuschungen und Mißverständnissen immer wieder verhindert.Camille verliebt sich in Simons Chef Marc (Lambert Wilson), einen eingebildeten Lackaffen, der natürlich überhaupt nicht zu ihr paßt.Inzwischen läßt sich Odile von ihrem früheren Geliebten Nicolas (Jean-Pierre Bacri) den Hof machen, und Claude geht tatsächlich fremd. Nach umständlicher Einführung inszeniert Resnais mit diesem Personenkreis einen amüsanten Reigen zufälliger Begegnungen.Immer intensiver verknüpft er ihre Beziehungen, bis in einer furiosen Szene in Odiles neuer Traumwohung über den Dächern von Paris endlich Klarheit geschaffen wird.Alle haben sich etwas vorgemacht, sie sind längst nicht so glücklich, wie sie vorgeben.Das Leben ist eben kein Chanson, so das witzig verpackte Ergebnis.

Carla Rhode

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