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Roald Dahls Klassiker kommt neu heraus.

© Zeichnung: Quentin Blake

Neuauflage von "Sophiechen und der Riese": Kotzgurken oder Menschenfleisch

Roald Dahls hinreißender Klassiker "Sophiechen und der Reise" erscheint neu aus Anlass seiner Verfilmung durch Steven Spielberg. Quentin Blake hat den Klassiker illustriert.

In der Geisterstunde ist alles möglich. Also, warum soll da nicht ein Riese des Weges kommen, der mit einer langen Trompete schöne Träume in die Fenster bläst, und dann das kleine Mädchen packt, das ihn beobachtet hat, und ins Riesenland verschleppt, wo sie beste Freunde werden: das mutige Sophiechen und der Gute Riese, GuRie genannt, der eine ziemlich eigenwillige, fantasievolle Sprache spricht. Gemeinsam bestehen die beiden allerlei Abenteuer, die schließlich mithilfe der Queen (die sich als sehr viel vernünftiger entpuppt als ihr Hofstaat) zum Happy End führen. So weit in aller Kürze und Würze die spannende Geschichte von Roald Dahl, die zu lesen eine solche Wonne ist, dass man ununterbrochen juchzen möchte.

Nicht nur vor Freude, auch wegen der Menschlichkeit des Buchs. So wortwitzig und brüllend komisch „Sophiechen und der Riese“ daherkommt, es schwingt immer ein Hauch Traurigkeit in der Geschichte mit, die Olivia gewidmet ist, Dahls mit sieben Jahren an Masern verstorbener Tochter. Das fängt damit an, dass Sophiechen in einem grässlichen Waisenhaus lebt, und geht damit weiter, dass der GuRie mit seinen Flattersegelohren ein ziemlich einsamer Riese ist, der Kleinste unter den Giganten, der einzig Liebe unter lauter Bösen. Wie gut, dass er jetzt Sophiechen hat. Endlich eine Verbündete, so sensibel, so menschen-riesen-klug und bodenständig wie er selbst.

Moral ist eine Frage der eigenen Entscheidung

Das Buch ist ziemlich gruselig, wobei die bösen Riesen nicht die Einzigen sind, vor denen man sich fürchten muss. Die Menschen sind auch nicht von Pappe, wie der GuRie Sophiechen erklärt: Die essen ja auch andere „Leberwesen“, ohne mit der Wimper zu zucken. Roald Dahls Moral kommt immer mit gesenktem Zeigefinger, eher nebenbei daher. Dass der GuRie zum Beispiel einen ziemlich hohen Preis dafür zahlt, dass er im Unterschied zu seinen Stammesgenossen keine Menschen frisst: Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich von Kotzgurke zu ernähren, die so widerlich schmeckt, wie sie klingt. Die Botschaft: Moral ist eine Frage der eigenen Entscheidung.

Der Klassiker von Roald Dahl, dessen 100. Geburtstag sich am 13. September jährt, wurde jetzt neu aufgelegt, natürlich wieder mit den schwungvoll-witzigen Zeichnungen von Dahls Hausillustrator und Freund Quentin Blake. Lesefaule mögen glauben, sie könnten sich die Lektüre sparen und einfach ins Kino gehen. Steven Spielberg hat den Roman verfilmt, am 27. Juli läuft „BFG – Big Friendly Giant“ hierzulande an. In den USA ist der Film am ersten Wochenende allerdings gefloppt. Außerdem wäre es wirklich zu schade, wenn man sich dieses großartige Sprachkunstwerk entgehen ließe.

Adam Quidam, das klingt wie von Roald Dahl ausgedacht. Hat er aber nicht. Das hat der Übersetzer selbst gemacht. Hermann Gieselbusch heißt der Mann mit richtigem Namen. Dahls Meisterwerk hat er hinreißend übersetzt, man kann sich gar nicht sattlesen an seinen Kreationen, lässt sie sich auf der Zunge zergehen und schlabbert noch mal nach. Allein die Namen der bösen Riesen: der Fleischfetzenfresser und der Knochenknacker, der Kinderkauer und der Mädchenmanscher. Und wie Gieselbusch-Quidam die Redeweise des GuRie hingekriegt hat, die allen Regeln des Deutschunterrichts widerspricht! „Bist du auf die Plätze?“, würde der GuRie fragen, „Ja, fertig, los!“ würde Sophiechen sagen. Also: Leute lest! Lest Roald Dahl!

Roald Dahl: Sophiechen und der Riese. Aus dem Englischen von Adam Quidam. Mit Bildern von Quentin Blake. Rowohlt Verlag, Reinbek 2016, 256 Seiten, 16,99 Euro.

Weitere Rezensionen finden Sie auf unserer Themenseite.

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