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Die Neue: Iris Berndt, geboren 1968 in Magdeburg, ist jetzt Direktorin des Käthe-Kollwitz-Museums.

© Doris Spiekermann-Klaas

Neue Chefin im Käthe-Kollwitz-Museum: Endlich raus aus dem Dornröschenschlaf

Das Käthe-Kollwitz-Museum in Berlin-Charlottenburg hat eine neue Chefin: Iris Berndt. Sie hat neue Pläne für das Privatmuseum - und die kommen auch der City West zugute.

Häufig fragen Besucher, ob die Villa in der Charlottenburger Fasanenstraße 24 einmal das Wohnhaus von Käthe Kollwitz war. Die Damen an der Museumskasse müssen dann immer verneinen. Der Prenzlauer Berg, das ist der Kollwitz-Kiez. Dort hat die Grafikerin und Bildhauerin gelebt, dort hatte ihr Mann seine Arztpraxis. „Nach der Wende gab es die Idee, das Museum in den Prenzlauer Berg zu verlegen“, erinnert sich Iris Berndt. Doch so kam es nicht – „eine vertane Chance“, findet die Kunsthistorikerin. Mit dem Standort aber hat sich Iris Berndt, die neue Leiterin des Käthe-Kollwitz-Museums, abgefunden. „Wir werden der Stachel in der Welt des Konsums sein“, sagt sie mit Blick auf die Nachbarschaft. Käthe Kollwitz mit ihren Themen Krieg, Armut und soziale Ungerechtigkeit inmitten von Edelboutiquen. So kann man das sehen.

Geboren 1968 in Magdeburg, steht Iris Berndt nicht nur für einen Generationenwechsel. Es könnte auch ein Richtungswechsel werden, sofern die Potsdamerin alle ihre Pläne umsetzt: Die Dauerausstellung mit den Werken aus der Sammlung des Kunsthändlers, Malers und Mäzens Hans Pels-Leusden will sie neu konzipieren, mehr Besucher anziehen und viermal jährlich kleine Sonderschauen ausrichten. „Die Themen von Käthe Kollwitz sind immer noch aktuell“, sagt die Direktorin.

So stellt sie sich etwa vor, Zeichnungen der Künstlerin aktuellen Fotografen von Amnesty International gegenüberzusetzen. Oder zu fragen, wie innovativ die Expressionistin an Plakatgestaltung herangegangen ist und sie mit Arbeiten der Fotomontageaktivisten John Heartfield (1891–1968) und Klaus Staeck (geboren 1938) sowie mit Plakaten des Hilfswerks Misereor zu präsentieren. Das sind klare Setzungen in Richtung gesellschaftskritische Kunst. Aber auch klassisch kunstgeschichtliche Ansätze will Berndt weiter pflegen. „Kollwitz war ja nicht nur die Zeichnerin ausgemergelter Arbeiter, sondern auch bewandert in der Kunst von Rubens, Dürer und Goethe.“

Aufschwung der City West: Kunstszene entdeckt Charlottenburg

Der Personalwechsel im Museum fällt in den aktuellen Aufschwung der City West. Die Kunstszene entdeckt Charlottenburg wieder für sich, Galerist Max Hetzler hat gleich zwei Standorte in der Goethe- und Bleibtreustraße eröffnet, das Fotografiehaus C/O Berlin will in diesem Jahr im Amerika-Haus am Zoo eröffnen. Auch die Staffelstabübergabe im Kollwitz-Museum signalisiert offenkundig einen Stilwechsel: Berndts Vorgänger Martin Fritsch vom Jahrgang 1941 – er hat das Museum 27 Jahre lang geleitet – ist das Paradebeispiel eines distinguierten Herrn, eine klassische Erscheinung, er trägt blaues Sakko mit Goldknöpfen und Krawatte. Iris Berndt steht ungeschminkt in Jeans und bequemen Trekkingschuhen an seiner Seite. Alle zwei Wochen treffen sie sich zum Erfahrungsaustausch. „In den letzten Jahren war die größte Herausforderung, den Betrieb am Laufen zu halten“, sagt Iris Berndt, Fritschs Verdienste anerkennend. Das Privatmuseum verfügte über keinerlei Förderung, einen Ankaufetat gibt es nicht.

Hinter der Aussage aber steckt auch diplomatisches Geschick. Iris Berndt weiß, dass einiges im Argen liegt. Das Museum ist in einem Dornröschenschlaf versunken. Der Bestand mit den 200 Werken aus der Sammlung Pels-Leusden muss endlich inventarisiert und besser gelagert werden. So hat die neue Direktorin erst einmal einen Computer angeschafft, Martin Fritsch brauchte keinen. Die Bilder auf den vier Etagen sind eng gehängt, stecken in unterschiedlichen Rahmen, lange Texte ergänzen sie, die Räume wirken düster. 1987 ist das Museum in die Gründerzeitvilla des Geheimrats Schirmer eingezogen. Die Deutsche Bank hatte zuvor das heruntergekommene Wintergarten-Ensemble, zu dem auch das Literaturhaus und die Villa Grisebach gehören, erworben und saniert – mit der Auflage, es kulturell zu nutzen.

Nun bekommt die Sammlung Unterstützung vom Senat.

Dank seiner guten Kontakte zu Sammlern ist es Fritsch immer wieder gelungen, private Leihgaben für Sonderausstellungen in die Fasanenstraße zu holen, große Künstlernamen wie Goya, Egon Schiele oder Lesser Ury. Zehn Jahre lang hatte er um institutionelle Förderung gekämpft, zusammen mit Eberhard Diepgen, dem einstigen Regierenden Bürgermeister und Vorstandsvorsitzenden des Museums. Profitieren kann davon nun die Nachfolgerin: Von diesem Jahr an bekommt die Sammlung Unterstützung vom Senat. Große Sprünge kann Iris Berndt damit noch nicht machen, aber wenigstens ist sie nicht mehr darauf angewiesen, die Schätze überall herumzuschicken. Verleihungen an andere Häuser, bis nach Asien, brachten dem Museum zwar Geld ein, die Kunsthistorikerin aber ist kein Fan dieser Praxis. „Die Sammlung muss sich erholen.“

Als Kind der DDR sei sie mit Käthe Kollwitz aufgewachsen, sagt Iris Berndt. Die berühmten Lithografien zum „Weberaufstand“ waren in allen Schulbüchern abgedruckt. Berndt hat an der HU und der FU Kunstgeschichte studiert, bei Helmut Börsch-Supan promoviert, bei den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden und zuletzt acht Jahre lang als Referentin beim Brandenburger Museumsverband gearbeitet. Die Mutter zweier erwachsener Kinder bringt Erfahrung im Kuratieren mit, kennt sich aber auch mit den Hürden der Verwaltung aus, mit Provenienzforschung, Öffentlichkeitsarbeit und Kunstvermittlung. Sie hat die Dauerausstellung im Niederlausitzmuseum Luckau miterarbeitet und sich immer wieder mit dem Landschaftsmaler Carl Blechen beschäftigt. Ihre Arbeitsschwerpunkte lagen vor allem im 19. Jahrhundert, aber Käthe Kollwitz schätzt sie sehr. „Ich finde ihre Kunst wichtig und nicht richtig wahrgenommen in einer noch immer männerdominierten Kunstwelt.“

Mit Broschüre auf den Spuren von Käthe Kollwitz

Im November soll die neue Dauerausstellung eröffnen. Zuvor läuft ab Juli eine Schau der ungarischen Künstlerin Kata Legrady. Zudem will Iris Berndt eine Broschüre herausgeben, mit der man auf den Spuren der Kollwitz wandern kann: Sie soll den Leser zum Kollwitzplatz führen, zum Zentralfriedhof Friedrichsfelde und dem Familiengrab, zur Klosterstraße, wo das Atelier lag.

Iris Berndt schickt die Menschen in die Stadt, aber sie will auch die Stadt ins Museum holen. Im Erdgeschoss soll zukünftig die Geschichte der Familie Kollwitz und ihrer Lebensumstände erzählt werden. Kollwitz ist zwar in Königsberg geboren, aber gelebt hat sie 52 Jahre an der Spree. An ihrem Leben zeichnet sich deutsche Geschichte ab. Ihren Sohn Peter verlor Käthe Kollwitz im Ersten Weltkrieg, einen Enkel im Zweiten. 1933 wurde sie von den Nationalsozialisten gedrängt, ihre Professur an der Akademie der Künste aufzugeben. Heute scheinen sie und ihre Kunst ausländische Touristen mehr anzuziehen als die Einheimischen. Ins Gästebuch tragen sich Australier, Amerikaner, Japaner oder Franzosen ein. 70 Prozent der 20 000 Besucher im Jahr kommen aus dem Ausland. Kollwitz’ zutiefst menschliche Bilder werden weltweit verstanden. Jetzt müssen nur noch wieder die Berliner kommen.

Käthe-Kollwitz-Museum, Fasanenstr. 24 in Charlottenburg, Mo-So 11-18 Uhr, kaethe-kollwitz.de

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