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Kultur: Neue Liebe rostet nicht

Richard Serra und Dresdner Barock am Golf: Das Emirat Katar setzt sich als Kulturmetropole in Szene - trotz der Krise.

Richard Serras jüngstes Werk im öffentlichen Raum steht nun in Doha, der Hauptstadt des Emirats Katar am Persischen Golf, 24 Meter hoch und zum Wahrzeichen der Stadt wie geschaffen. Serras sieben einander stützende Stahlplatten auf der Spitze einer künstlichen Landzunge antworten dem gegenüberliegenden Museum Islamischer Kunst (MIA) des sino-amerikanischen Grandseigneurs der Gegenwartsarchitektur, Ieoh Ming Pei.

Vor drei Jahren eingeweiht, zählt das MIA kraft seiner Sammlung zu den bedeutendsten Museen islamischer Kunst weltweit. Derzeit jedoch präsentiert es Leihgaben aus dem Grünen Gewölbe, der barocken Schatzkammer des Dresdner Schlosses – die erste Ausstellung nicht-islamischer Kunst in diesem Haus. Es sind Welten, die da aufeinandertreffen. Vom Orient hatte das Europa des Barock eine märchenhafte Vorstellung, geknüpft an den sagenhaften Reichtum der damaligen indoislamischen Mogulkaiser.

Jetzt bewundern katarische Besucher die Juwelen Augusts des Starken.Im Verlangen nach kostbaren Geschmeiden und kunsthandwerklichen Bravourstücken stand der sächsische König seinen orientalischen Kollegen nicht nach, und das ist eine Ebene, auf der Orient und Okzident sich treffen.

Gegenüber dem Import des West- und Weltkünstlers Richard Serra sind eher Vorbehalte zu spüren. Man könne bei seiner Skulptur – aus rostfreiem Stahl made in Germany und schlicht „7“ benannt – an ein abstrahiertes Minarett denken, wird der Amerikaner gefragt. „Pei fand eine kleine Moschee in Ägypten als Anregung für seinen Museumsbau, und ich ein Minarett des 10. Jahrhunderts in Afghanistan“, antwortet Serra auf die insistierenden Fragen arabischer Journalisten, die den Bezug zur islamischen Kunst suchen. Das afghanische Vorbild-Minarett überrascht mit einem achteckig gezackten statt kreisrunden Querschnitt, etwas, das Serra seiner „7“ anverwandelt.

Das muss dann auch genügen, ansonsten will Serra mit islamischer Symbolik nichts zu tun haben, und die Frage, ob die Sichtachse von der Skulptur zum gegenüber der halbmondförmigen Landzunge liegenden Museum gen Mekka weisen solle, weist er als „absurd“ zurück. Es macht ja gerade die Stärke seiner Stahlskulpturen aus, dass sie allein als Form, als Schaffung von Raum existieren. „Der Gehalt meiner Skulptur ist das, was Sie im Inneren empfinden“, erklärt er sein durch drei schmale Öffnungen betretbares, himmelsoffenes Stahlbündel.

Auftraggeber der Skulptur, des Islamischen Museums und überhaupt aller Aktivitäten in Sachen Kunst und Museen in diesem Familienbetrieb namens Katar ist die Museumsbehörde QMA. Sie wird geleitet von der Lieblingstochter des Emirs, Scheikha el-Thani, die dem Vernehmen nach einiges an stockkonservativem Widerstand zu spüren bekommt. Katar, am Rand der Arabischen Halbinsel, scheint die Brüchigkeit des märchenhaft zugeflossenen Reichtums zu ahnen. Die Hauptstadt Doha, die übergangslos aus der kargen Schotterwüste wächst, ist gepflastert mit Plakaten, die Optimismus verkünden und Katar als Kreuzungspunkt globaler Strömungen beschwören. Was fehlt, wird eingekauft; von den Arabischen Spielen, die derzeit als olympische Regionalausgabe in Doha abgehalten werden, bis zur Fußball-WM 2022, für die vollklimatisierte Stadien versprochen werden.

Eingekauft wurde die Sammlung des Islamischen Museums, vorwiegend auf Londoner Auktionen, eingekauft wird eben auch Richard Serra. Der fortschrittswillige Emir hat begriffen, dass die politische Modernisierung seines ölreichen Staates mit kultureller Modernisierung befördert wie zugleich abgefedert werden kann. Bahrain, wo der Herrscherkollege angesichts politischer Proteste die Nerven verlor und mit brutaler Gewalt reagierte, ist für Katar ein Schreckbild.

Die zumeist asiatischen Gastarbeiter oder gar die „Ex-Pats“, die westlichen Durchgangsbewohner, werden mit dem Geld zufriedengestellt, das sich immer noch verdienen lässt. Still stehende Baukräne an vielstöckigen Rohbauskeletten werden mit der Mittagspause oder dem anstehenden Staatsfeiertag weggeredet.

Sollte die arabische Immobilienkrise an Doha vorbeigegangen sein? Zumindest gibt es (noch) keine Streichung hochfliegender Pläne im Kulturbereich. Die musste das vermeintlich uferlos reiche Abu Dhabi im Zuge seiner katastrophalen Immobilienkrise vornehmen, wo Riesenbauten von Zaha Hadid und Tadao Ando nicht einmal mehr erwähnt werden und die Guggenheim-Filiale von Frank Gehry auf der Kippe steht. Norman Fosters „Zayed-Nationalmuseum“ ist ebenso infrage gestellt, und nur der „Louvre Abu Dhabi“ nach Entwurf von Jean Nouvel kann sich auf einen milliardenschwereren Vertrag mit Frankreich stützen.

In Katar hingegen vollzieht sich der Aufbau der kulturellen Infrastruktur stetig statt sprunghaft. Das Museum Islamischer Kunst berührt die Identität des Inselstaates und soll sie stärken, auch wenn die Sammlungsstücke vorwiegend aus entfernteren, anders geprägten Regionen des Islam wie dem persischen Kulturkreis stammen.

Das gerade ein Jahr alte Museum zeitgenössischer Kunst, mit dem arabischen Wort für Museum „Mathaf“ benannt, ist derzeit noch in einem ehemaligen Lagerhauskomplex untergebracht, nahe der weitläufigen Universitätsstadt mit ihren amerikanischen Lehrkräften und Curricula. im Mathaf stellt der chinesische Künstler und global player Cai Guo-Qiang aus, der mit seinen Feuerwerken zu den Olympischen Spielen in Peking weltbekannt geworden ist. Diesmal stellt er seine Künste in den Dienst der Beschwörung arabisch-chinesischer Handelstraditionen. In einem Wasserbecken im Museum lässt er eine Dschunke mit zwei Dhaus dümpeln, geheimnisvoll von künstlichem Wasserdampf vernebelt. Muss es nicht schmeicheln, sich ausgerechnet das periphere Doha als Zielpunkt chinesischer Handelsleute auszumalen?

Auch Cai hat Auftragsarbeit geliefert, und er hat seinen Auftrag offenbar genau verstanden. Die Museums Authority finanziert, aber durchaus mit Bedacht. Katar setzt auf – auch kulturelle – Bildung als Königsweg zu einer als unsicher empfundenen Zukunft, die eigene, zahlenmäßig kleine Bevölkerung im Blick statt, wie in Abu Dhabi, allein auf Tourismus erpicht. Zur Serra-Eröffnung sprach die neue Direktorin des Islamischen Museums – eine Katari, die den aus England importierten Gründungs-Chef abgelöst hat. Das genau macht den Unterschied.

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