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© dpa

Neue Museen trotz Krise: Zaren müssen nicht sparen

Amsterdam , Brüssel, München und Athen haben eins gemeinsam: neue Museen trotz Krise. Doch wer sich die näheren Umstände anschaut, unter denen so manche Gründung zustande kam, erkennt erste Trübungen im Glanz.

Amsterdam hat gerade seins bekommen, Brüssel es nach Jahren des Wartens endlich auch geschafft, München strahlt seit dem Frühsommer nochmals heller, und Athen prunkt allemal. Allen vier Städten ist eins gemeinsam. Sie haben in diesem Jahr neue Museen erhalten. Und das, obwohl die Finanzkrise in der Kunst schlimme Folgen zeitigt. Schließungen ganzer Häuser, Notverkäufe, abgesagte Ausstellungen, so hieß es aus den USA. In Europa nahm das Versiegen privater Geldquellen nicht ganz so dramatische Formen an, denn hier trägt der Staat meist den Hauptanteil der Finanzierung. Bei der Biennale in Venedig, die in den letzten Jahren gleichermaßen Bühne für Kunst und Glamour war, fielen die zunehmend aufwendigeren Installationen diesmal bescheidener aus, ebenso die Partys. Die jüngsten Museumseröffnungen wirken dennoch wie ein Anachronismus in Zeiten neuer Sparsamkeit. Letztlich sind sie Ausläufer einer üppigeren Phase. Eine solche Dichte an Einweihungen dürfte künftig nicht mehr zu erleben sein.

Doch wer sich die näheren Umstände anschaut, unter denen so manche Gründung zustande kam, erkennt sogleich erste Trübungen im Glanz. Münchens großartiger Zuwachs auf dem Pinakotheken-Areal in Gestalt der Sammlung Brandhorst, die eine spektakuläre Architektur von Sauerbruch & Hutton erhielt, führt zugleich ein Defizit der öffentlichen Häuser vor Augen. Weil die staatlichen Kollektionen auf dem Terrain der zeitgenössischen Kunst große Lücken aufweisen, hilft der private Sammler aus – um den Preis eines eigenen Schatzhauses, das allerdings die öffentliche Hand bezahlt und unterhält.

Aus Berlin ist dieses Modell altbekannt. Erst im vergangenen Sommer wurde die Sammlung Scharf-Gerstenberg im östlichen Stülerbau exklusiv einquartiert. Nun ist in der Neuen Nationalgalerie mit der Sammlung Pietzsch gegenwärtig ebenfalls eine hochkarätige Surrealisten-Kollektion zu sehen, welche die Staatlichen Museen noch viel lieber hätten, wenn nur nicht die dauerhafte Präsentation Bedingung wäre. In München kommt eine Stiftung als Morgengabe hinzu. Zinsen in Millionenhöhe stehen der Sammlung daraus für Ankäufe zur Verfügung, von denen die benachbarten Pinakotheken nur träumen können. Bei der Eröffnung wurden bereits schwelende Eifersüchteleien noch überspielt.

Mit der Übergabe des Magritte-Museums in Brüssel trägt die belgische Hauptstadt eine lange Schuld gegenüber dem bedeutendsten Maler des Landes ab. Vierzig Jahre nach dem Tod des Künstlers erfährt er endlich die ihm zustehende Würdigung. Nachdem die Witwe Georgette Mitte der Achtziger in der unveränderten Wohnung verstorben war, hatte es der Staat versäumt, sich den Nachlass zu sichern. Hausrat, Möbel, Bilder verteilten sich in alle Welt. Ein privater Verein versuchte später mit Ankäufen vom Flohmarkt, die Einrichtung zu rekonstruieren und der Stätte im Nachhinein Authentizität zu verleihen. Das nun an der Place Royale eröffnete Museum, das in den verdunkelten Räumen eines historischen Palais Gemälde zeigt, erinnert somit auch ans Versäumnis von vor 25 Jahren.

Das Akropolis-Museum in Athen steht im Zeichen einer historisch-politischen Grundsatzfrage. Nach Jahrzehnten der Planung und einer fast zehn Jahre dauernden Bauzeit steht nun die Prachtarchitektur von Bernhard Tschumi und gibt der antiken Stätte eine moderne Bekrönung. Doch klafft an der prominentesten Stelle im Haus eine Lücke: Von den 96 Metopenplatten des 160 Meter langen Parthenon-Frieses fehlen 56 Stück. Sie befinden sich im Britischen Museum in London, das die vor 200 Jahren gekauften Elgin Marbles nicht zurückzugeben gedenkt.

Die letzte große Eröffnung vor den Sommerferien, rechtzeitig vor Eintreffen der Besucherströme, erlebte Amsterdam mit der „Hermitage“: nicht ganz so pompös wie in Athen, wo Staats- und Regierungschefs aus zwanzig Ländern zur offiziellen Übergabe angereist waren, aber doch im Beisein der niederländischen Königin Beatrix und des russischen Präsidenten Dimitri Medwedew. Die Petersburger Eremitage besitzt nun in der niederländischen Hauptstadt eine Dependance, die erste im Westen, nachdem Verhandlungen mit London und Las Vegas gescheitert waren. Russland verfügt damit über ein Fenster im Herzen Europas nach dem Guggenheim-Modell; die New Yorker unterhalten in Bilbao, Venedig und auch Berlin Zweigstellen, indem sie Namen und Leihgaben zur Verfügung stellen. Umgekehrt bekommt Amsterdam eine touristische Attraktion, die es dringend braucht, da Rijksmuseum und Stedelijk Museum als wichtigste Anlaufstätten seit Jahren Großbaustellen sind und es weiterhin bleiben.

Aber auch das „Hermitate“-Unternehmen (in Amsterdam benutzt man die englische Schreibweise) wirft Fragen auf. Mit dem Umbau des 1683 gegründeten Amstelhofs, der bis 2007 noch als Altenheim diente, in ein Museum können nun die Schätze von Katharina der Großen auf 9000 Quadratmetern Fläche opulent ausgebreitet werden. Entsprechend üppig gestaltet sich die Eröffnungsausstellung. Selbstgefällig illustriert die Schau „Am russischen Hofe“ die historischen Verbindungen zwischen Holland und Russland, denn hier lernte einst der Zar als Zimmermann. Unverhohlen schwelgt sie in alter Zarenherrlichkeit: Galauniformen, Ballroben mit Rüschen und Volants sind auf kopflosen Kleiderpuppen in einer riesigen Vitrine zum Defilee vor dem Thronsessel Pauls I. arrangiert. In den Seitenkabinetten werden Fabergé-Eier, Fächer, Seidenschuhe, Tafelgeschirr, Juwelen, Stiche der Petersburger Paläste vorgeführt. Was das 19. Jahrhundert neben Tanzfesten und höfischem Protokoll außerdem für Russland bedeutete, Hungeraufstände, Leibeigenschaft, Attentate auf den Zaren, bleibt ausgeblendet.

Die Propagandaoffensive für Moskau kommt trotzdem an; Tag für Tag bilden sich Besucherschlangen vor den Kassen. Auch bei der nächsten Ausstellung, „Die Ursprünge der modernen Kunst. Braque, Matisse und Picasso“ aus den spektakulären Petersburger Beständen, dürfte das nicht anders sein. Auf diesen Zuspruch wird die „Hermitage“ angewiesen sein, denn der Unterhalt muss komplett über Eintritt und Sponsoren eingespielt werden. Gerade dadurch droht Unwägbarkeit. Die „Hermitage“ ist ein weiterer Bewerber auf dem Markt der Förderer, den auch schon andere Museen der Stadt abgrasen. Mehr als bei den bestehenden Institutionen wird an den neuen Institutionen abzulesen sein, wie sie sich unter den erschwerten finanziellen Bedingungen weltweit halten.

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