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Kultur: Neue Opernbühne Berlin: Seelentiere: Ungarisches am Halleschen Ufer

"Kunst" - heißt es - "kommt von Können". Doch nicht nur Kunst, auch Kunsthandwerk will gekonnt sein.

"Kunst" - heißt es - "kommt von Können". Doch nicht nur Kunst, auch Kunsthandwerk will gekonnt sein. Deswegen ist es keine Herabsetzung, wenn man János Vajdas Operneinakter "Mario und der Zauberer" diesem letzteren Genre zuordnet. Vajdas Werk entstand 1988; am Sonnabend erlebte es im Theater am Halleschen Ufer durch die Neue Opernbühne Berlin seine deutsche Erstaufführung. Es war eine durch und durch eklektizistische Nacherzählung von Thomas Manns berühmter Novelle: die symphonisch unterfütterte, sauber inszenierte Alternative zum Hörbuch.

Dennoch erging es manchem im Publikum wie den Varietébesuchern auf der Bühne: Auch wer dem Stück skeptisch gegenüberstand, wurde durch die große stimmliche wie schauspielerische Ausstrahlungskraft des Zauberers Kai-Uwe Fahnert in den Bann gezogen. Und das, obwohl der künstlerische Höhepunkt des Abends vor der Pause gelegen hatte: Da saß Julia Henning, halb als Pfau, halb als exaltierte Dame gewandet, einsam auf einer schwarzen, raffiniert schwebenden Schräge. Sie präsentierte die "Botschaften des entschlafenen Fräuleins R. V. Trussova". Die 21 Gedichtvertonungen, die dem ungarischen Komponisten György Kurtág 1981 zum internationalen Durchbruch verhalfen, sind gedrängte wie ausdruckskräftige Aufschreie einer von der Liebe enttäuschten Frau: bisweilen banal und dann doch wieder faszinierend schwankend zwischen lapidarer Resignation, gallenbitterer Anklage und Visionen masochistischer Erotik. Dass man sich eine Stunde in diese Innenwelt aus Wahn und Einsamkeit hineinziehen liess, war nur durch den Volleinsatz der Solistin möglich. Mit der gebündelten virtuosen Kraft ihres Soprans und ihres Körperausdrucks ließ sie das packende Bild eines gequälten, sich selbst ausweidenden Seelentiers erstehen - ein Bild, das die Armseligkeit und Kraft enttäuschter Liebe drastisch zusammenfasste. Mehr als die Summe ihrer Einzelteile ist diese musikdramatische Umsetzung von Literatur, zu der auch die suggestiv und pointiert eingesetzte Lichtregie sowie die souveräne Orchesterleistung unter Ferenc Gábor gehörten.

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