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Billie Eilish

© dpa

Neuer James-Bond-Song: Billie Eilish und die Lizenz zum Sterben

Veröffentlicht am Valentinstag: Billie Eilish singt die düstere James-Bond-Titelballade „No Time To Die“. Muss Daniel Craig jetzt sterben?

Eines immerhin hat die Vergangenheit der Zukunft voraus: die Verlässlichkeit. Was passiert ist, lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Solche Gewissheiten kennt das Morgen nicht, eine Erkenntnis, die Ringo Starr einst im Bonmot „Tomorrow never knows“ zusammenfasste. Wobei auch da eine Ausnahme gilt. Jedes Leben wird irgendwann mit dem Tod enden. Nur, dass der Moment zum Sterben eigentlich nie der richtige ist.

Herzschmerz zum Valentinstag

„No Time To Die“ heißt der Titelsong zum gleichnamigen neuen James-Bond-Film, den Billie Eilish ausgerechnet am Valentinstag veröffentlicht hat. Denn der Tod, den sie da mit einem anfangs vor Schmerz bebenden Vibrato besingt, ist ein Liebestod, das Ende einer Beziehung, die auf Lüge und Betrug aufgebaut war. „You were never on my side / Fool me once, fool me twice“, konstatiert die Sängerin im Refrain und fragt: „Are you death or paradise?“ Himmel oder Hölle, manchmal ist die Liebe beides.

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Über den Punkt, an dem Verletzung in Wut umschlägt, ist das lyrische Ich dieser Trauerballade bereits hinaus. Den letzten Triumph, sie weinen zu sehen, will die Hintergangene ihrem Missetäter nicht gönnen. Natürlich lässt sich die Bitterkeit dieser Zeilen auf die Figur des James Bond beziehen, eines notorischen Schwindlers und Schwerenöters, der in jedem seiner Filme von immer neuen, stets jungen Bond-Girls umschwärmt wird. Andererseits könnte auch der Darsteller gemeint sein.

Abschied von den Verstorbenen

Die düstere Getragenheit von „No Time To Die“ erinnert an Eilishs Version des Beatles-Klassikers „Yesterday“, die sie am Sonntag mit grün gefärbten Haaren und geschlossenen Augen bei der Oscar-Verleihung vortrug, während hinter ihr Bilder der im letzten Jahr verstorbenen Preisträger zu sehen waren, von Doris Day über Peter Fonda bis zu Kirk Douglas. Auch der James-Bond-Abgesang wirkt wie ein Totenlied. Der 25. Teil der Filmreihe, der am 2. April in die Kinos kommt, wird der letzte mit Daniel Craig sein, so viel steht fest. Das Lied befeuert Spekulationen, dass der Schauspieler „Keine Zeit zu sterben“ – so der deutsche Titel – maximal endgültig verlässt: letal.

Billy Eilish ist kein Fall für Feelgoodsongs, ihr introspektiver Gothpop handelt von dysfunktionalen Beziehungen und seelischen Nöten. Als Kind war bei ihr das Tourette-Syndrom diagnostiziert worden. „Ich tue immer das, was mir Angst macht“, hat sie in einem Interview erzählt. „In meinen Videos glorifiziere ich meine Ängste, Spritzen und Spinnen zum Beispiel.“

Shirley Bassey sang drei Bond-Titelsongs
Shirley Bassey sang drei Bond-Titelsongs

© imago images/United Archives

Das vierminütige „No Time To Die“ beginnt mit tröpfelnden Klaviertönen und schwebenden Synthieteppichen, rafft sich erst nach zwei Minuten zu dem für Bond-Hymnen obligatorischen Bläser- und Geigenpathos auf, um dann gleich wieder in sich zusammenzusacken. In seiner spröden Entrücktheit ist das Stück großartig, doch von der auftrumpfenden Dramaturgie einer sogenannten Powerballade, wie die Soulerneuererin Adele sie zuletzt für „Skyfall“ einspielte, trennen sie Welten.

Powerballaden klingen anders

Komponiert hat Billy Eilish „No Time To Die“ zusammen mit ihrem Bruder Finneas. An den dreitägigen Aufnahmen in den Londoner Air-Studios, in denen schon Pink Floyd und Queen arbeiteten, waren neben einem 30-köpfigen Orchester auch der Filmkomponist Hans Zimmer und der ehemalige Smiths-Gitarrist Johnny Marr beteiligt. „Den Titelsong für einen Bond-Film zu schreiben, ist etwas, von dem wir unser ganzes Leben lang geträumt haben“, sagt Finneas. Sie stehe noch unter dem Schock, nun „Teil einer solch legendären Serie“ zu sein, fügt Billie hinzu. Erstmals live aufführen will sie das Lied bei den Brit-Awards am kommenden Dienstag.

Billy Eilish, das kalifornische Pop- Wunderkind, feierte erst im Dezember ihren 18. Geburtstag. Damit ist sie mit Abstand die jüngste Sängerin, die sich jemals mit einem Bond-Titelstück verewigte, seit Shirley Bassey 1964 den Filmbösewicht Goldfinger mit flammendem Sopran als „man with the midas touch“ besungen hat. Bassey nahm außerdem die Theme-Songs für „Diamonds Are Forever“ und Moonraker auf, auch dies ein Rekord. Eilish, die 2015 ihr erstes Lied auf der Online-Plattform Soundcloud veröffentlichte, hat bislang 40,7 Millionen Tonträger verkauft. Für ihr 2019 veröffentliches Debütalbum „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“ wurden sie und ihr Bruder mit fünf Grammys ausgezeichnet.

Nancy Sinatra sang "You Only Live Twice".
Nancy Sinatra sang "You Only Live Twice".

© mauritius images / Photo 12 / Al

Eilish, als „Anti-Superstar“ gefeiert, steht jetzt in einer Reihe mit Pop-Diven wie Nancy Sinatra („You Only Live Twice“), Gladys Knight („Licence to Kill“), Tina Turner („Goldeneye“) oder Madonna („Die Another Day“), die vor und nach ihrem Bond-Song eine jahrzentelange Weltkarriere absolvierten. Die Lizenz zum Schreiben eines Hits für die Agentenfilmserie gilt neben dem Grammy als Ritterschlag der Musikindustrie. Michael G. Wilson und Barbara Broccoli, die Produzenten von „Keine Zeit zu sterben“, betonen in einem Statement, dass Eilish einen „unglaublich kraftvollen und bewegenden Song“ geliefert habe, der perfekt in „die emotionale Geschichte des Films“ passe.

Verjüngungskur für einen toxischen Mann

Allerdings benötigt die 1962 mit „James Bond – 007 jagt Dr. No“ begonnene Blockbuster-Reihe dringend eine Verjüngungskur. Zuletzt war sie für ihr steinzeithaftes Bild von Geschlechterrollen und die toxische Männlichkeit des Helden kritisiert worden. Forderungen, dass es nach fast sechzig Jahren nun endlich an der Zeit sei, die Geheimagentenrolle mit einer Schauspielerin zu besetzen, wies Broccoli schroff zurück: „Er kann jede Hautfarbe haben, aber er ist männlich“.

Der Pop ist längst weiter. Nicht nur seine Zukunft, auch seine Gegenwart – Billie Eilish beweist es – ist weiblich.

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