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Die Red Hot Chili Peppers aus L.A. mit einem vierbeinigen Gastsänger.

© Steve Keros/Warner

Neues Album der Red Hot Chili Peppers: California screaming

Die Red Hot Chili Peppers und ihr elftes Album „The Getaway“. Produziert hat zum ersten Mal seit 25 Jahren nicht Rick Rubin, sondern Danger Mouse.

Anthony Kiedis hat der Pop-Welt kürzlich einen ganz schönen Schreck eingejagt. Mitte Mai hieß es, er sei als Notfall in ein Krankenhaus eingeliefert worden, seine Band musste einen Auftritt absagen. Das ließ sofort an die jüngste Todesserie von Rockstars (Lemmy, Bowie, Prince) denken. Da sollte der Sänger der Red Hot Chili Peppers sich doch hoffentlich nicht einreihen?

Bang dachte man an die Drogenvergangenheit des 53-Jährigen und schaute im Netz nach Neuigkeiten aus der medizinischen Abteilung. Zum Glück kam bald Entwarnung: Anthony Kiedis habe eine schwere Magenentzündung überstanden, die Tournee konnte weitergehen.

Umso größer ist nun die Freude, den Sänger zur Veröffentlichung des elften Red-Hot-Chili-Peppers-Albums „The Getaway“ wohlauf zu sehen. Gerade war er mit seinen Bandkollegen in James Cordens „Carpool Karaoke“-Sendung zu Gast und super aufgelegt. Singend saß er auf dem Beifahrersitz, erzählte Schwänke aus seinem Leben und gewann sogar ein kleines Wrestlingmatch gegen den ungefähr doppelt so schweren Gastgeber.

Gitarrist Josh Klinghoffer ist zum zweiten Mal dabei

Auch im Video zur ersten Single des Albums „Dark Necesseties“ kann man sich von der Fitness des Sängers überzeugen, der genau wie sein alter Kumpel Flea am Bass am liebsten ohne T-Shirt auftritt. Ihre tätowierten Oberkörper sind noch immer beeindruckend drahtig, was es beiden erlaubt, zu der knackigen Funkrock-Nummer angemessen wild durch die Gegend zu springen. Das Lied ist sofort als eines der Red Hot Chili Peppers zu identifizieren, mit einem geslappten Bass, wie ihn wirklich nur Flea spielen kann, ohne dass es übel altbacken klingt. Ein bisschen Klavier dazu, Anthony Kiedis’ Mischung aus seltsamen Sprechgesang und sehnsüchtig-melancholischen Refrainzeilen – funktioniert wieder mal bestens.

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„Dark Necesseties“ ist das stärkste Stück auf dem neuen Album, das die Band aus Los Angeles fünf Jahre nach „I’m With You“ veröffentlicht. Es ist das zweite Mal, dass Josh Klinghoffer als Gitarrist dabei ist. Er ersetzt den 2008 zum zweiten Mal – und diesmal endgültig – ausgestiegenen John Frusciante. Ein schweres Erbe, hatte der Saitengroßmeister doch bei allen stilprägenden Alben des Quartetts die Finger im Spiel. Dementprechend zurückhaltend ging der 1979 geborene Klinghoffer bei seinem Chili-Peppers-Debüt zu Werke. Er überließ meist Flea die Führung, Synthesizer und Klinghoffers Backgroundgesang reicherten das Klangbild an.

Diesmal traut er sich deutlich mehr zu und macht seine Sache gut. In „Feasting On Flowers“ darf er zu Beginn eine kratzig-steigende Linie vorgeben, der sich ein Synthesizer anschließt, bei der Garagenrocknummer „Ticonderoga“ unterstützt Flea sein verzerrtes Zwei-Akkord-Feuer. Auch den einen oder anderen Frusciante-Gedächtnismoment erlaubt sich der mit seinem Vorgänger befreundete Klinghoffer, etwa im Intro der Ballade „The Longest Wave“, das wie eine kleine Verbeugung in Richtung „Under The Bridge“ wirkt.

Zum ersten Mal seit 25 Jahren war Rick Rubin nicht dabei

Die Chemie stimmt offensichtlich in der Band. Man hört, dass sie voll motiviert zur Sache gegangen ist bei den Aufnahmen der 13 Stücke. Einen besonderen Inspirationsschub dürfte dabei der Produzentenwechsel von Rick Rubin zu Brian Burton alias Danger Mouse ausgelöst haben. Erstmals seit „Blood Sugar Sex Magik“, das die Red Hot Chili Peppers 1991 mit dem legendären Rauschebartträger aufnahmen und damit den Mainstreamdurchbruch schafften, haben sie eine neue Herangehensweise ausprobiert.

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Statt mit komplett durchkomponierten, fertig geprobten Songs ins Aufnahmestudio zu gehen, haben die Musiker diesmal erst dort angefangen, kollektiv herumzuprobieren. Nahmen sie früher im Wesentlichen live auf und fügten anschließend einige Overdubs hinzu, war es bei „The Getaway“ eher ein von Burton angeleiteter Schichtentortenprozess. Ohne dass am Markenkern der Band gerüttelt würde, schlägt sich das vor allem in Details nieder: Hier mal ein Wobbel-Effekt, dort mal ein Discopop-Intermezzo oder eine Trompetenmelodie. Auch die Keyboards und der Backgroundgesang vom letzten Album kommen wieder zum Einsatz.

Elton John hat an einem Stück mitgewirkt

Das ist abwechslungsreich, ohne beliebig zu wirken. Vor allem aber merkt man, dass diese Gruppe, die seit 1983 existiert, über 60 Millionen Platten verkauft und unzählige Krisen überstanden hat, weiterhin neugierig ist und ihre nervöse Getriebenheit in überzeugende Songs umsetzen kann. Wie nebenbei gelingt es ihr auf „The Getaway“, das totgesagte Format der Rockband noch einmal mit Sinn zu erfüllen. Dieses Quartett hat immer noch etwas zu sagen, wobei Anthony Kiedis die Dringlichkeit seiner Texte diesmal aus einer schweren Trennung bezieht. Düstere Zeilen über Verderben und Verlust durchziehen das Album.

Auch seine geliebte Heimat ist darin nie nur der sonnendurchflutete Sehnsuchtsort, sondern von Melancholie erfüllt und von Zerfall bedroht. Am besten bringt dieses California-noir-Gefühl interessanterweise der Text eines Gastautors zum Ausdruck: „Say goodbye to Oz and everything you own/ California dreaming is a pettibone/ L.A. screaming is my home“, heißt es zur Eröffnung der groovenden Ballade „Sick Love“. Geschrieben hat diese Lyrics Bernie Taupin, der Texter von Elton John, der an dem Song mitgeschrieben hat und auch am Klavier zu hören ist. Das passt alles erstaunlich gut zusammen und bringt die poppige Seite der Red Hot Chili Peppers schön zum Strahlen. Ein bisschen West-Coast-Wärme muss schon sein.

„The Getaway“ erscheint bei Warner.

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