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Der britische Musiker James Blake, 33.

©  Universal Music

Neues Album von James Blake: Emanzipation eines Introvertierten

James Blake hat mit „Friends That Break Your Heart“ ein Coming-of-Age-Album für die Ü 30-Generation aufgenommen.

Es ist schmerzhaft, aber es gehört zum Erwachsenwerden ebenso dazu wie Steuern zahlen und Versicherungen abschließen: der Verlust von Freund*innen. An diesem Punkt in seinem Leben scheint auch der 33-jährige James Blake angekommen zu sein – so zumindest lässt sich der Titel seines neuen, mittlerweile vierten Soloalbums „Friends That Break Your Heart“, also „Freunde, die dein Herz brechen“, deuten.

Auf dem Cover eine Illustration mit saftigem, schattigem Gras, im Hintergrund Birken, alles in pastelliges Technicolor getaucht und geradezu friedlich; läge da nicht eine verfremdete Blake-Version, spiralförmig zerfasert, im Vordergrund.

Er kombinierte schon früh R’n’B und Elektro

Auch der schönsten Traumlandschaft, wohnt Zerstörung inne. Selbst wenn alles gut läuft, wie bei James Blake, der zu den prägendsten Künstler*innen seiner Generation gehört und privat seit Jahren mit der Schauspielerin und Aktivistin Jameela Jamil liiert ist (die auf dem Album als zusätzliche Produzentin genannt wird).

Als Blake 2011 mit seinem selbstbetitelten Debütalbum bekannt wurde, war kaum abzusehen, welchen Einfluss seine Arbeit und die von ihm geschaffene Stilistik mit Elementen aus Dubstep, balladesken Harmonien und gespenstischer, fast gehauchter und verzerrter Stimme auf zeitgenössischen Pop haben sollte. Geoff Barrow von Portishead fragte damals gehässig auf Twitter, ob das Jahrzehnt wohl als „Dubstep trifft auf Pubsänger“ erinnert werde. Zehn Jahre gibt es nur eine Antwort auf seine Frage: Ja.

Blakes Sound entstand zu einer Zeit, wo auch andere Künstler*innen wie Bon Iver, Grimes, die ebenfalls britischen The XX, aber auch Frank Ocean oder der frühe The Weeknd die Brücke zwischen Indie und Pop schlugen, R’n’B und Elektro miteinander kombinierten, garniert mit zurückgenommenen Vocals, die sich abhoben vom immer lauter werdenden Pop- Zeitgeist wie den Produktionen des Schweden Max Martin, der so gut wie alle Popsterne, mit denen er arbeitete, zum Schreien animierte. Der Sound der Stunde von Billie Eilish oder Girl in Red oder auch Lorde zelebriert eher Understatement, als den Masterregler auf Anschlag zu schieben.

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In der Folge spielte sich Blake mit jedem Album und jeder Kollaboration mit Künstler*innen von Travis Scott über Beyoncé bis hin zu Slowthai ein Stück weiter frei von der Rolle des introvertierten, in sich gekehrten Musiknerds und ließ auch seiner unverwechselbaren Stimme mehr und mehr Raum.

„Wenn man Blakes Alben in chronologischer Reihenfolge hört, klingt es, als ob ein Gespenst allmählich materielle Form annimmt“, schrieb 2013 schon der Poptheoretiker Mark Fisher über Blake. Mit seiner 2020 erschienenen EP „Before“ war das Gespenst bereits völlig in Fleisch und Blut verwandelt und feierte inmitten von Pandemie und Lockdown die Sehnsucht nach dem Dancefloor. Fleischeslust statt Metaphysik, quasi.

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Im Gegensatz dazu verlässt sich „Friends That Break Your Heart“ wieder stärker auf den melancholisch-träumerischen Markenkern von James Blake: der Sound ist ein sphärischer, minimalistischer Pop, geschult an Dubstep und R’n’B, mit flackernden Synthesizern, mal einfachen Klavierakkorden, dann – wie bei „Funerelle“ – einer leisen Orgel im Hintergrund.

Die Texte dazu kreisen alle mal mehr, mal mehr um das Thema der verlorenen Freundschaften, wie eine Art Coming of Age-Platte für die Generation Ü30. „I’ve haunted many photographs in the background and in the fore / And as many loves who have crossed my path / In the end it was friends / It was friends who broke my heart“, heißt es im Titeltrack.

[„Friends That Break Your Heart“ erscheint am 8. Oktober bei Universal.]

Die Erkenntnis ist – wie leider immer wieder in den Texten – nicht ganz so tiefgründig wie beabsichtigt. Das ist aber gar nicht schlimm, denn die Hauptrolle spielt Blakes wandlungsfähiger und geradezu hypnotischer Bariton, dem man ganz wunderbar dabei zuhören kann, wie er sich in luftige Höhen schraubt und wieder zurück in die Tiefe fällt.

Wie schon auf den Vorgängeralben hat sich der Brite zahlreiche Gäste eingeladen, mal große Namen wie Sängerin Sza auf „Coming Back“, mal unbekanntere wie die Rapper JID und SwaVay auf dem düster-minimalistischen Trapstück „Frozen“ oder die Sängerin Monica Martin in „Show Me“.

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Daneben haben auch eine Reihe von Gastproduzent*innen wie Take A Daytrip oder Metro Boomin aus Atlanta dem Album eine basslastige HipHop-Attitüde verpasst – und manchmal sogar so etwas wie gute Laune. So zum Beispiel bei „Foot Forward“, das den Partysound Atlantas in James-Blake-Form interpretiert. Oder beim glückserfüllten „Lost Angel Nights“ das mit leise schillernden Synths und einem Refrain, der im besten Sinne an Kinderreime erinnert, Zufriedenheit ausstrahlt ohne allzu süß zu wirken.

Aber so richtig bei sich ist James Blake dann beim letzten Stück „If I’m Insecure“. Als eine Art Liebeslied der vertrackten Art nimmt es den Zuhörer gleich mit in die Kirche. Blakes singt voller Hall, während sich der Sound in eine geradezu sakrale Hymne an die das geliebte Gegenüber entwickelt: „And if I’m insecure / How have I been so sure / That I’m gonna care for you / ’Til I am no more“. Ganz am Schluss knackt es noch einmal, Mikrofon raus, Licht aus, Tür zu. Tschüss, introvertierter Frickelkünstler von einst. Der neue James Blake fühlt sich längst wohl im Rampenlicht.

Aida Baghernejad

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