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Der US-amerikanische Sänger und Schauspieler Justin Timberlake.

© Sony

Neues Album von Justin Timberlake: Der Stolz des Hinterwäldlers

Country-Phrasen und Glam-Pop: Justin Timberlake begibt sich auf seinem Album „Man Of The Woods“ auf die Suche nach seinen Wurzel im amerikanischen Süden.

Flanell? Echt jetzt? Der Mann, der in den letzten zehn Jahren stets in schicken Maßanzügen aufgetreten ist und seinem Markenzeichen-Outfit sogar ein Lied gewidmet hat („Suit & Tie“), besingt nun die textile Antithese des feinen Zwirns: das Holzfällerhemd. Viele Winter habe er es getragen, hinter der linken Brusttasche befinde sich seine Seele. Justin Timberlake wird gefühlig in „Flannel“, dessen Folkmelodie von sanft geschlagenen Akustikgitarren begleitet wird. Die Rhythmusspur dazu kommt aus dem Computer.

Das Stück ist so peinlich wie programmatisch für Justin Timberlakes gerade erschienenes viertes Soloalbum „Man Of The Woods“. Damit besinnt sich der 1981 in Memphis geborene Sänger und Schauspieler auf seine Wurzeln im amerikanischen Süden, um sie mit dem urbanem Pop zu verbinden für den er bekannt ist. Als „modernen Americana mit 808s“ hat er das Konzept vorab umschrieben.

Die Texte sind oft plump und holperig

Die in den Achtzigern von der japanischen Firma Roland entwickelte Drummachine kommt auch beim Titelsong zum Einsatz, zu dem sie warm pochende Bassbeats und dezente Snareakzente beisteuert. „I brag about you to anyone outside/ But I’m a man of the woods, it’s my pride“, singt Timberlake zu Fingerschnipsen und wimmernden Gitarren. Wobei dieser Refrain mit seinem ausgestellten Hinterwäldler-Stolz noch zu den besseren Textstellen dieser an plumpen Bildern und holpernden Zeilen reichen Platte gehört. Gerade wenn es um Sex geht, haut Timberlake immer wieder kräftig daneben. „Ooh, I love your pink, you like my purple“ heißt es etwa in dem von verzerrten Swamp-Gitarrenriffs angetriebenen Stück „Sauce“.

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Rätselhaft bleibt auch wie der einstige Boygroup-Sänger auf die Idee gekommen ist, einen derart unattraktiven Ausdruck wie „Supplies“ ins Zentrum einer Single zu heben. Darin entwirft er ein Endzeit- Szenario, in dem er die metaphorische Rettung für seine Geliebte ist: das Holz für ihr Feuer, der Generator, der sie mit Elektrizität versorgt. Und er hat Vorräte: „Supplie-ie-ies“ – dass dieses wiederholt dahingequäkte Wort tatsächlich die Hookline sein soll, ist schon ein bisschen lahm. Auch sonst hat der Song, der mit der derzeit angesagten Trap-Ästhetik spielt, kaum Spannendes zu bieten, woran auch eine kurzzeitige Tempoverschärfung nichts ändert. Geschrieben und produziert hat Timberlake ihn zusammen mit Pharrell Williams und Chad Hugo alias The Neptunes, denen er einige Hits verdankt und die an der Mehrzahl der 16 neuen Stücke beteiligt waren.

Ein paar gute Popsongs blitzen auf

In seinen besseren Momenten klingt „Man Of The Woods“ dann auch stark nach den Neptunes beziehungsweise nach ihrem Projekt N.E.R.D. Auf deren letztem Album „No One Ever Really dies“ hätten sich auch die lässig groovenden Timberlake-Songs „Montana“ und „Breeze Of The Pond“ gut gemacht. Hier spielt das „Modern Americana“- Konzept praktisch keine Rolle, es sind einfach nur gute Popsongs. Davon gibt es auf diesem rund einstündigen Album leider zu wenige, was auch an der Formschwäche von Timbaland liegt.

Der Produzent und Co-Autor des zweiten und besten Timberlake-Albums „FutureSex/LoveSounds“ sowie dessen Doppelschlags „The 20/20 Experience“ von 2013 hat unter anderem am Eröffnungssong „Filthy“ mitgearbeitet. Als erste Single bereits Anfang des Jahres veröffentlicht, kommt es daher wie ein von Steroiden aufgepumpter Bodybuilder, der angeberisch über die Bühne stolziert und seine Muskeln anspannt. Schaut her: ein rockiges Intro! Wobbelnde Beats! Futuristische Effekte! Nur passt das alles nicht zusammen und führt nirgendwo hin. Der beknackt schlüpfrige Text macht es nicht besser. Wo ist bloß der Justin Timberlake von „FutureSex/LoveSounds“ geblieben, der so stilsicher wie sexy seinen Vorbildern Prince und Michael Jackson huldigte?

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Vielleicht ist er auf dem Weg ins Familienleben auf der Strecke geblieben. Dafür ist nun Timberlakes Frau, die Schauspielerin Jessica Biel, einige Male zu hören. In dem Interlude „Hers“ spricht sie darüber, wie es sich anfühlt das Hemd ihres Mannes zu tragen... Das wird kitschtechnisch nur noch vom Abschlussstück „Young Man“ übertroffen, auf dem Timberlakes brabbelnder Sohn Silas zu hören ist, für den der Vater dann eine Reihe banaler Ratschläge („Young man, if you wanna make God smile/Make plans, you’ve got to be ready“) und Liebesbekundungen singt.

An drei Stücken hat Nashville-Star Chris Stapelton mitgewirkt. Sie stören nicht weiter, wobei die an Everlast erinnernde Akustikgitarren-Nummer „Say Something“ sogar das Zeug zum Hit auf Truckfahrer-Radiostationen haben dürfte. Ziemlich unaufregend für einen einst so glamourösen Popstar wie Justin Timberlake. Aber wer weiß: Am Sonntag tritt er in der Halbzeit-Pause des Superbowl-Finales auf. Vielleicht lässt er sich 14 Jahre nach dem Nippelgate-Vorfall mit Janet Jackson wieder etwas einfallen.

„Man Of The Woods“ erscheint bei Sony Music.

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