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Die amerikanische Musikerin Lady Gaga.

© Universal

Neues Album von Lady Gaga: Rückkehr auf den Dancefloor mit „Chromatica“

Lady Gaga besinnt sich auf ihrem sechsten Album auf ihre Dancepop-Wurzeln. Hohes Tempo, knallige Beats und schmerzvolle Themen dominieren "Chromatica".

Ihr Plan für die Nach-Corona-Zeit steht schon: Lady Gaga will in jeden Gay Club gehen, den sie finden kann. „Dann werde ich alle Menschen, denen ich über den Weg laufe, umarmen und küssen“, sagte sie kürzlich in ein langen Videointerview mit Zane Lowe.

Es wird wohl noch ein bisschen dauern bis sich dieser Wunsch erfüllt. Aber seit an diesem Freitag ihr neues Album erschienen ist, kann man sicher sein, dass sie dort mit offenen Armen empfangen wird. Denn mit „Chromatica“ (Universal) kehrt zurück Lady Gaga zu ihren Dancepop-Wurzeln, besinnt sich auf ihren angestammten Sound, der ihr - vor allem in der queeren Community - eine extrem treue Anhängerschaft eingebracht hat.

 Keine Balladen, dafür High-Energy-Hymnen

Was die starken Vorabsingles „Stupid Love“ und „Rain On Me“ (zusammen mit Ariana Grande) bereits andeuteten, entfaltet sich auf dem Album mit voller Pracht: Eine High-Energy-Hymne nach der anderen ballert aus den Boxen. Das Tempo ist konstant hoch, einzig die orchestralen Ein- und Überleitungen („Chromatica I-III“) bilden kurze Verschnaufpausen.

Keine einzige Ballade befindet sich unter den 15. Titeln, deren markanteste Einflüsse Achtziger-Pop und Neunziger-House sind. Ein Breakbeat-Gewitter am Ende des Elton-John-Duetts „Sine From Above“ bricht kurz aus diesem Muster aus.

Aber moderner Schnickschnack wie Trap-Beats oder Autotune hat keinen Zutritt in der Disco der 34-jährigen Diva. Mit einer guten alten Four-to-The-Bassdrum bekommt man die Leute schließlich immer noch zum Tanzen. Sie pocht etwa zu den House-Piano-Akkorden des Songs „Free Woman“, in dem Lady Gaga die Essenz ihres sechsten Albums in einer Zeile kondensiert: „This is my dancefloor I fought for“. Einer ihrer ersten großen Hits hieß nicht zufällig „Just Dance“.

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Der Dancefloor und der Kampf sind die Leitmotive von „Chromatica“. Tanz besiegt Schmerz, Musik führt aus dem Trauma. Das ist die selbstverschrieben Therapie von Lady Gaga, die schon mit dem Cover der Platte andeutet, dass es darauf recht düster zugehen wird. Sie ist mit riesigen Klauenfingernägeln, absurd-klobigen Schuhen und einer knappen Leder-Metall-Montur abgebildet - eingeklemmt unter einer Art Spangenlogo.

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So zeigt sich die Sängerin schon im Auftaktsong „Alice“ als eine verzweifelt nach dem Wunderland Suchende, die am Ende ihrer Kräfte ist: „Sick and tired of waking up screaming at the top of my lungs/ Think I might've just left myself behind“. Wobei sie auch schon weiß, was gegen die nächtlichen Schreie und den Selbstverlust helfen könnte: „Maestro, play me your symphony/ I will listen to anything/ Take me on a trip, DJ, free my mind.“

Es ist ein programmatischer Auftakt, der das Thema psychische Gesundheit anspielt, das später in dem pumpenden Stück „911“ wieder aufgenommen wird. Lady Gaga wechselt zwischen einer roboterhaft verzerrten Stimme, ins Falsett, um zum Refrain in einen resignativen Singsang zu verfallen: „My biggest enemy is me, pop a 911“, heißt es darin. Die Zahl ist die Notrufnummer der USA und meint hier eine Tablette. 

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Im Interview mit Zane Lowe hat Lady Gaga erklärt, dass es sich dabei um Psychopharmaka handelt. Manchmal ist Musik dann doch nicht genug, um mit Panikattacken, Depressionen und Verlorenheitsgefühlen klar zu kommen. Die New Yorkerin spricht ganz offen darüber, dass sie sich inzwischen zu einer „radikalen Akzeptanz“ dieser Problem durchgerungen hat.

Immer wieder hat Lady Gaga, die im April das große WHO-Benefizkonzert „One World: Together at Home“ kuratierte, ihre Verletzlichkeit in der Öffentlichkeit gezeigt. Sei es, dass sie Rollstuhl auftrat, von sexueller Gewalt berichtete oder den frühen Tod einer Tante auf einem Album verarbeitete - ihr lag nie daran sich als unzerstörbare Perfektionistin zu inszenieren wie Madonna, mit der sie häufig verglichen wurde und an die sie auch auf „Chromatica“ mitunter erinnert.

Zurück zum Plastik 

Allerdings ist diese Schmerzensfrau auch eine Kämpferin, die sich nicht unterkriegen lässt. Und so spielen Selbstbehauptung- und ermächtigung ebenfalls eine wichtige Rolle auf dem Album. Im erwähnten „Free Woman“ singt sie „I'm still something if I don't got a man“ - auch ohne Mann ist sie noch wer. Und in „Plastic Doll“ verbittet sie sich, dass man(n) mit ihr spielt: „No, no, no, I'm not your plastic doll“.

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Dabei ist Plastik definitiv zurück in der Welt von Stefani Joanne Angelina Germanotta, die den Kunststoffanteil ihrer Schöpfung Lady Gaga ja eine Weile stark zurückgefahren hatte. Als 2016 ihr letztes Album „Joanne“ erschien, präsentierte sie sich als All-American-Girl im weißen T-Shirt, hatte Gitarren spielen gelernt und flirtete mit Folk Country und Rock.

Das wirkte zwar unausgegoren und ziellos, war aber nach dem in eine ähnliche Richtung gehenden Filmhit „A Star is Born“ bald vergessen. Zumal sie mit dem Song „Shallow“ sogar einen Oscar gewann.

Jetzt hat sie nicht nur zu ihren Ursprungssound wiederentdeckt, sondern auch ihre Liebe für extravagante Kostüme. Pink ist derzeit ihre Signalfarbe, sie trägt lange Mähne in diesem Ton und präsentiert in den aktuellen Videos diverse Variationen pinkfarbener Corsagen, dazu Leder, Lack und Glitzer - das volle Programm.

Die Wiedersehensfreude dürfte groß sein bei den Fans, die die alte Gaga vermisst haben. Dass ihr ihr bestes Album seit „Born This Way“ gelungen ist, wird sie noch erhöhen. Und irgendwann können dann auch alle zusammen im Club dazu tanzen.

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