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Nofretete

© pa/dpa

Neues Musuem: Die Schöne im Schein

Nofretete und ihre Brüder: Das rekonstruierte Neue Museum wird drei Sammlungen des Altertums beherbergen. Eine Vorschau.

Noch ist das Neue Museum leer und spielt das, was dort einmal zu sehen sein wird, keine Rolle – zumindest während der kommenden Tage der offenen Tür, an denen die wiederhergestellte Hülle besichtigt werden darf. Das Augenmerk liegt auf der Architektur. Nie wieder wird sie eine solche Bedeutung besitzen wie jetzt, im Moment der Schlüsselübergabe. Schon schwingt die Überlegung mit: Wo wird die Nofretete stehen? In welchem Saal der Xantener Bronzeknabe Aufstellung beziehen? Und wo der berühmte Berliner Goldhut platziert sein? Vor dem geistigen Auge des Besuchers füllt sich bereits das Haus mit Ausstellungsobjekten, ein Gedankenspiel, das die Direktoren des Ägyptischen Museums, des Museums für Vor- und Frühgeschichte und der Antikensammlung seit Monaten durchgehen.

Genau 222 Tage später, zur eigentlichen Eröffnung des Neuen Museums am 16. Oktober, wird sich alles an seinem endgültigen Platz befinden, ein spektakulärer Moment, denn das Ägyptische Museum kehrt dorthin zurück, wo 1850 seine Erfolgsgeschichte begann und Nofretete zur Berliner Kultfigur avancierte. Die seit dem Kriegsende zwischen Ost und West aufgeteilten Bestände kommen nun in einer Fülle wieder zusammen, wie es auch während der Übergangsphase im Alten Museum in den letzten viereinhalb Jahren nach dem Auszug aus dem Charlottenburger Stülerbau nicht möglich war. Der Anzahl der Exponate wächst um ein Drittel; hinzu kommen gewaltige Objekte, die aus Platzgründen seit sieben Jahrzehnten nicht mehr zu sehen waren: etwa die Grabkammern des Metjen, Merib und Manofer mit Beispielen der Reliefkunst des Alten Reiches, die es in keinem anderen Museum in solchem Umfang gibt.

Tatsächlich ermöglichte die Eröffnung des Neuen Museums Ausgrabungen in den eigenen Reihen wie die Entdeckung der beiden kolossalen Götterstatuen des späten römischen Kaiserreiches aus dem Bestand der Antikensammlung. Jahrzehntelang waren die beiden ägyptisch-römischen Mischgottheiten Isis-Fortuna und Osiris-Helios im Depot vergessen. Von ihren Dreckschichten befreit, lassen sie jetzt schon die von David Chipperfield neu geschaffene Südkuppel wie ein Sanktuarium erscheinen. Die über zweieinhalb Meter hohen Figuren mussten wegen ihrer Übergröße während des Umbaus aufgestellt werden, so dass der Besucher ihnen bereits begegnet. In der archäologischen Passage wird er ebenfalls auf die monumentalen Granitsärge und ägyptischen Grabkammern stoßen, von denen eine 1991 im Mauerwerk des Neuen Museums entdeckt wurde, wo sie zum Schutz vor den Bomben einzementiert worden war.

Zwei Institutionen teilen sich vornehmlich das Haus: das Ägyptische Museum und das Museum für Vor- und Frühgeschichte. Die Antikensammlung – ansonsten im Pergamonmuseum beheimatet und derzeit mit einer Dauerausstellung im Alten Museum präsent – gibt wichtige Einzelstücke hinzu und bespielt im Piano Nobile den Bacchantensaal. Dort wird auch der Xantener Knabe stehen und als „Stummer Diener“ einstiger Festgelage sein nicht mehr vorhandenes Tablett darbieten.

Obwohl das Museum für Vor- und Frühgeschichte nach seinem Auszug aus dem Langhansbau des Charlottenburger Schlosses den größten Teil des Hauses – Südflügel sowie das oberste Geschoss des Nordflügels – belegt, gilt die größte Aufmerksamkeit dem Ägyptischen Museum. Allein 2007 steigerte sich seine Besucherzahl im Interimsquartier im Alten Museum auf 620 000; mit über einer Million wird fortan gerechnet. Davon kommen 85 Prozent als Touristen. Auf ihre Bedürfnisse ist die Präsentation zugeschnitten – den schnellen Blick auf Nofretete oder den berühmten Grünen Kopf – und nicht zur wissenschaftlichen Vertiefung in alle Objekte einer Epoche.

Während die Steinkeile, Neandertaler- Schädel und Bronzekrüge des Museums für Vor- und Frühgeschichte kaum wie Kunstobjekte wirken und deshalb chronologisch mit einem erläuternden Umfeld präsentiert werden, baut das Ägyptische Museum auf die effektvolle Inszenierung singulärer Stücke. Die Skulpturen werden in Käfigen platziert, dreidimensionalen Bilderrahmen aus schlanken Metallprofilen. Ähnlich wie bei Alberto Giacomettis „cages“ werden die trotz ihrer steinernen Starre höchst dynamischen Figuren auf diese Weise in ihrer Lebendigkeit betont. Nach einem eigens mit Lichtdesignern entwickelten System sollen die Skulpturen künftig nicht mehr innerhalb ihres „Käfigs“, sondern von der Decke angestrahlt werden, um Tages- und Kunstlicht zu vereinen.

Auch Nofretete erhält eine solche Rahmung, wenngleich nicht wie ursprünglich geplant im Entree, am oberen Ende der monumentalen Chipperfield-Treppe. Die zierliche Schöne hätte sich selbst an diesem exponierten Platz kaum gegen die gewaltige Halle durchsetzen können. Sie wird als Solitär in der Nordkuppel zu finden sein. Bis zu ihr muss der Besucher einen Parcours abschreiten: vorbei an den Stand-, Schreit-, Sitz- und Kniefiguren und durch den Apollosaal hindurch, in dem sich als weiteres Highlight der berühmte Hausaltar mit einer Darstellung des Herrscherpaares Nofretete und Echnaton befindet, untergebracht in einer der wenigen erhalten gebliebenen Wandnischen. Die Königsfamilie, darunter das Eibenholzköpfchen von Nofretetes Schwiegermutter Teje, versammelt sich auf der frei im Ägyptischen Hof schwebenden Plattform.

Von Nofretete aus führt der Weg in den Niobidensaal, der künftig die „Bibliothek der Antike“ mit der Papyrussammlung beherbergt, deren Namen das Ägyptische Museum auch offiziell im Titel führt. Die Handschriften wie das Gilgamesch-Epos, der Sinuhe-Roman oder die griechischen Klassiker sind in Tischen mit Schiebeböden gebettet, die sich einzeln rausziehen lassen. Rechts und links sind Marmorbüsten der entsprechenden Autoren Herodot, Platon, Aristoteles platziert. Die antiken Dichter und Denker erzählen, flüstern, raunen von einer untergegangenen Welt. Im Neuen Museum kehrt sie in ihren schönsten Zeugnissen wieder zurück.

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