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Zankapfel Fassade. Das neue Musiktheater am Volksgarten.

© dpa

Neues Opernhaus: Wohnzimmer mit steinernem Vorhang

Vivat Austria: Das neue Linzer Musiktheater eröffnet mit einer Oper von Philip Glass – nach einem Stück von Peter Handke.

Das neue Musiktheater, erklärte der Linzer Bischof, assistiert von zwei Mozart-Engelchen, bei der Einsegnung des neuen Hauses, sei bei der Bevölkerung genauso gut angekommen wie der neue Papst. Linz ist nämlich nicht nur eine Arbeiterstadt mit Stahlwerken und chemischer Industrie, sondern auch sehr katholisch. Dass der britische Architekt Terry Pawson sein Opernhaus mit verrosteten Stahlplatten einkleiden wollte, hatte den den Lokalpolitikern indes zunächst missfallen. Nun umhüllt das Gebäude nicht Stahl, sondern eine Art steinerner Vorhang aus hellen Betonpfeilern mit eingelegten Travertinplatten.

Die Geschichte des Unternehmens ist lang. Adolf Hitler wünschte sich Linz nach dem Endsieg als europäisches Kulturzentrum, im Mittelpunkt sollte ein Opernhaus stehen, in dem man problemlos Richard Wagner spielen kann. Die Eröffnung plante er für 1955. Auch die letzten 30 Jahre waren bewegt. Das ambitionierte Projekt eines unterirdischen „Musiktheaters im Berg“ etwa wurde durch ein Volksbegehren zu Fall gebracht, Vertreter der populistischen FPÖ nahmen auch jetzt nicht an der Eröffnungsfeier teil. Mit 10 000 Quadratmetern Fläche ist das Haus fast so groß wie die Pariser Oper Garnier. Doch vor allem verblüfft, wie geschickt es in die Stadt integriert wurde.

Eine Straße wurde versetzt, so dass der Eingang über den Linzer Volksgarten, einen Park, zu erreichen ist. Vor der Eröffnungspremiere wurde in einem Volksfest das 10-geschossige Gebäude durch die katalanische Theatergruppe „Fura dels Baus“ in einem auf knapp eine Stunde verkürzten „Parsifal“ in Besitz genommen. Ein Lichtspektakel mit Kränen, Menschenketten hoch in der Luft und einer das Gebäude überragenden Parsifal-Puppe, die Kundry erklettern musste, und vor allem mit viel Feuerzauber. Die verzerrt über den Park dröhnenden Wagner-Einspielungen schmerzten zwar, aber Speis und Trank gab es fast umsonst.

Das neue Musiktheater versteht Architekt Pawsen als „living room“ für die Linzer Bürger. Tatsächlich liegt darin wohl auch die Chance des neuen Hauses. Man hat zwar die Absicht, sich nun durch eine eigene staatlich subventionierte Musicalsparte zu profilieren (neben Klassikern sollen auch Experimente erprobt werden), doch mit dem nicht weit entfernten Wien oder den Salzburger Festspielen wird man nur schwer in Konkurrenz treten können. Neben dem fast tausend Sitze umfassenden Zuschauerraum in dunklem Holz – und mit bequemen roten Plüschstühlen – gibt es eine Vielzahl von Räumen für kleinere und größere Konzerte, Cafés mit Jukeboxen, die Opernmusik spielen, Restaurants, Jazzbars und Kabarettspielstätten. Auch ohne eine Karte lösen zu müssen, so der Linzer Intendant Rainer Mennicken, soll man das Opernhaus den ganzen Tag über betreten können.

Dass Linz mit einer Uraufführung, und zwar einer Oper von Philip Glass eröffnen würde, zeichnete sich schon lange ab. Generalmusikdirektor Dennis Russel Davies ist nämlich mit dem amerikanischen Komponisten befreundet und hat schon mehrere Werke von Glass auch in Linz zur Uraufführung gebracht. Doch der Stoff wenigstens sollte von einem Österreicher stammen. Rainer Mennicken verfiel dabei auf Peter Handke und sein im Berliner Ensemble 2007 uraufgeführtes Stück „Die Spuren der Verirrten“. Als Regisseur verpflichtete man David Pountney, dem man als Intendant der Bregenzer Festspiele ein opulentes Eröffnungsfest zutraute. 200 Personen, Kinder, Schauspieler, Tänzer, Sänger, auch Musiker werden auf die Bühne gestellt, die in oft surrealen Bildern (Bühne: Robert Israel) auch die technischen Möglichkeiten des Theaters ausloten soll.

Die Stückwahl erweist sich als Missverständnis. Glass und Handke sind unterschiedliche Welten. Das handlungslose Stück kann man vor allem als Lesedrama erschließen, aus der Sicht einer „Zuschauer“ genannten Person führt es die immer wieder fragmentarisierte Beobachtung von Paaren vor. Streitende Eheleute, TV-Moderatoren, aber auch biblische und mythologische Gestalten treten für Momente auf. Doch Handkes Spiel mit Worten erscheint in der Illustration der Minimalmusik von Glass und ihren Wiederholungen beschwert und zu banalen Bonmots aufgedonnert. Nur selten überzeugt und verblüfft ein Paar wie etwa die Begegnung von Octavian aus dem „Rosenkavalier“ mit Ödipus.

Am eindrucksvollsten noch wortlose Paarchoreografien (Amir Hosseinpour). Schuhplattler, drei große Alphörner, Zitherspieler auf der Bühne sind wohl als alpenländische Referenz gedacht. Eine „Zurüstung für die Unsterblichkeit“, wie eines der Königsdramen Handkes heißt, war die Eröffnungsvorstellung nicht. Die Bewährungsproben stehen noch bevor. Bernhard Doppler

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