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Kultur: Neues von gestern

Komische Oper nimmt "Rienzi"-Inszenierung wieder aufVON BORIS KEHRMANNPolitik stellt sich in Richard Wagners "Rienzi" als Abfolge hochtönender Reden vor dauererregter Volksmasse dar.Adolf Hitler will, siebzehnjährig, in einer Linzer Aufführung die Eingebung seiner Mission vor der Weltgeschichte erhalten haben und ließ zur Erinnerung daran Reichsparteitage mit der "Rienzi"-Ouvertüre eröffnen.

Komische Oper nimmt "Rienzi"-Inszenierung wieder aufVON BORIS KEHRMANNPolitik stellt sich in Richard Wagners "Rienzi" als Abfolge hochtönender Reden vor dauererregter Volksmasse dar.Adolf Hitler will, siebzehnjährig, in einer Linzer Aufführung die Eingebung seiner Mission vor der Weltgeschichte erhalten haben und ließ zur Erinnerung daran Reichsparteitage mit der "Rienzi"-Ouvertüre eröffnen.Krieg und Sieg sind hier ästhetische Ereignisse, von frommen Fanfaren und guten Vorsätzen geweiht, von patriotischen Hymnen begleitet, schwungvoll im Viervierteltakt marschierend. Christine Mielitz hat die Rituale der Großen Oper 1992 auf die Wirklichkeit bezogen.Die Mauer war gefallen, die Attentate auf die Politiker Schäuble und Lafontaine noch frisch in Erinnerung, die Welt hatte den Golfkrieg am Fernsehen verfolgt.Auf all das nahm die Regisseurin in einem variablen Theaterraum von Gottfried Pilz bezug, der eine bis auf die Brandmauern verwüstete Trümmerlandschaft zitierte, in der der Krieg der Bürger nurmehr Stuckreste von der prunkvollen weiß-gold-roten Innenausstattung übriggelassen hatte. Mit ihren zahlreichen Anspielungen ist die Inszenierung selbst Geschichte geworden.Das war bei der Premiere ein spannender Theaterabend, der mit beherzten Strichen von sechs auf dreieinhalb Stunden Aufführungsdauer und kritisch leuchtender Interpretation auf berührende Weise vom Verlust der Freiheitsutopie seit Gründung der DDR erzählte, ja vieles überhaupt erzählbar machte, ohne es platter Lächerlichkeit auszuliefern.Und auch die Wiederaufnahme vermag so tief zu bewegen, wie schon lange kein Berliner Opernabend mehr.Zwar ist Günter Neumann als Rienzi nicht besser geworden.Stimmlich bleibt er die Karikatur eines Tenors.Aber diese Gebrochenheit macht eine in Widersprüchen verstrickte Figur glaubwürdig, die in vokalem Hochglanz unweigerlich zum Kitschidol erstarren würde.Carole Fitz Patrick meisterte die Rolle seiner Schwester Irene mit den nötigen Kraftreserven.Der um Mitglieder des Ernst-Senff-Chors erweiterte Chor, Extrachor und Kinderchor der Komischen Oper spielte das Volksdrama hochmotiviert aus und James Tuggle erhellte am Dirigenten-Pult nicht nur rückwärtsgewandte Bezüge zu Carl Maria von Weber, Bellini und Spontini, sondern auch überraschend viel reifen Wagner vom "Holländer" über den "Ring" bis zum "Parsifal".Die Entdeckung des Abends aber war Anne Schwanewilms, die einen hinreissend klangschönen und leidenschaftlichen Adriano sang und spielte.

BORIS KEHRMANN

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