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Kultur: Neugier ist machbar, Herr Nachbar

Das Berliner Programmkino Filmkunst 66 feiert drei Wochen lang den europäischen Film

Es ist nicht leicht, Europäer zu sein, jedenfalls nicht für Filme. Wann haben Sie zuletzt einen italienischen oder ungarischen Film gesehen? Auf dem hiesigen Kinokontinent sind die Grenzen ziemlich dicht – abgesehen von Ausnahmen à la „Amélie“ oder Almodovar.

Dafür gibt es etliche Gründe: die Traumfabrikware der Neuen Welt, der Sprachenwirrwarr der Alten, die Identitätsprobleme des Autorenfilms und die nationalen Förderungen, die neben den USKassenschlagern ein bisschen Freiraum für einheimische Produktionen zu sichern versuchen. Aber es gibt auch etliche Möglichkeiten, die Barrieren zu überwinden. Die glamouröseste: das Festival. Auf der Berlinale, in Locarno, Venedig oder Karlsbad ist die Neugier auf die Kinoerzählungen der Nachbarn ungebrochen groß.

Mit Festivals hat Heiner Stadler vom Filmkunst 66 gute Erfahrungen: Dank des Lateinamerika-Festes brachte der Juli 2002 seinem Kino die besten Besucherzahlen des Jahres. Diesmal also das „Festival des Europäischen Films“, 30 Werke aus 22 Ländern – in Kooperation mit dem Blow Up und dem Eiszeit. Dazu zählen Festival-Entdeckungen genauso wie nationale Publikumslieblinge. Zum Beispiel Vlastimíl Brodskys „Altweibersommer“, der heute zur Eröffnung läuft: eine tschechische Komödie über einen mittellosen unwürdigen Greis, der sich mit Schweijkschen Tricks einen amüsanten Lebensabend organisiert.

Oder „Un honnete commerçant – Ein ehrlicher Kaufmann“ von Philippe Blasband: ein eisgekühlter belgischer Film Noir um einen Drogenbaron (Philippe Noiret), mit Bildern wie Präzisionsinstrumente. Oder das bodenständige irische Bauernmärchen „How Harry Became a Tree“, in dem der jugoslawische Regisseur Paskaljevic eine chinesische Vater-Sohn-Geschichte auf die Grüne Insel der 20er Jahre verlegt. Hinzu kommen aus Deutschland Ian Diltheys minimalistische Provinztragödie „Das Verlangen“ oder Sören Voights verstörende Berlinstudie „Identity Kills“: Einige dieser Werke laufen demnächst in den Kinos an, andere warten schon lange vergeblich auf ihren Start. Die meisten jedoch haben gar keinen deutschen Verleih. Was sich, so hofft Heiner Stadler, mit dem Festival ändern könnte. Ist es doch der schönste Beweis dafür, dass ein Film aus europäischen Landen ein verlockendes Sommerabend-Angebot sein kann – selbst bei Biergarten-Temperaturen. chp

Bis 6. August, im Filmkunst 66, Blow Up und Eiszeit. Zum Festival erscheint eine Programmbroschüre.

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