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Der Musiker, Schauspieler und Schriftsteller Rocko Schamoni

© picture alliance / dpa

Neujahrsempfang beim Hanser Verlag: Im Haus der vielen Wohnungen

Der Hanser Verlag lud zum Neujahrsempfang und Jo Lendle sagte dabei zur Begrüßung auch ein paar Worte zum "Stella"-Trouble.

Seit einigen Jahren gibt es beim Hanser Verlag in der Berliner Verlagsdependence einen Neujahrsempfang, und natürlich waren dieses Mal, da der Empfang in den neuen Räumen in der Lehrter Straße stattfand, alle gekommen, um zu hören, was Hanser-Verleger Jo Lendle zum „Stella“-Trouble sagen, ob er sich überhaupt dazu äußern würde.

Doch, tat er, einigermaßen diplomatisch, nicht unsouverän, nicht im Bußgewand. Er sprach von Diskussionen, die es innerhalb des Verlages wegen der „Stella“-Werbekampagne gegeben habe; er dankte der Kritik für ihren Einsatz und ihren Furor, den er auch den anderen Büchern des Hauses wünschte; und er erzählte, er habe mit einem Autor darüber diskutiert, ob es nicht auch Aufgabe eines Verlages sei, eine moralische Anstalt zu sein. Der Autor fand das nicht, Lendle meint: schon, ja. Nun denn, was immer nun von dieser Anekdote zu halten ist.

Takis Würger war nicht gekommen

Lendle schloss, mit Verweis auf die vielen Autoren und Autorinnen des Verlages, die an diesem Abend da waren (Takis Würger übrigens nicht), mit einem Zitat von Johannes 14,2: „In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen“. Eine davon gehört Rocko Schamoni, der nun nach Stationen bei Rowohlt, Dumont und Piper im Hanser-Haus gelandet ist, bei Hanserblau, dem neuen Berliner Sub-Labels des Münchener Verlages. Schamonis Roman „Große Freiheit“ wurde an diesem Abend vorgestellt, und was man so hörte, scheint die historische Hamburg-Szene-Vermessung nun abermals mit Schamoni weiterzugehen, schön in der Spur eines Heinz Strunk, Uwe Kopf oder natürlich Hubert Fichte. Mit einem Helden, der wirklich gelebt hat (und 2017 verstorben ist) und in den sechziger Jahren „zum außergewöhnlichsten Puffboss von St.Pauli“ wurde, wie es auf dem Cover von „Große Freiheit“ heißt. Popliteratur kann man das sicher nicht nennen; die Zusammenhänge, aus denen Schamoni stammt, sind aber popkulturelle, von den Goldenen Zitronen über den Pudel Club bis zu Studio Braun. Was auf einen anderen, schon länger anhaltenden Trend im Literaturbetrieb verweist: den der schreibenden Popmusiker.

So kommt Ende Februar auch ein Roman von Ärzte-Schlagzeuger Bela B heraus, „Scharnow“

So kommt Ende Februar auch ein Roman von Ärzte-Schlagzeuger Bela B heraus, „Scharnow“. Nach einem Interview im Backstage-Bereich der Columbiahalle verabschiedete er sich nicht nur mit den Worten, ich solle bei Hanser doch bitte den Rocko schön grüßen. Bela B hielt überdies ein Exemplar des wiederum Mitte Februar erscheinenden Dirk-von-Lowtzow-Buches „Aus dem Dachsbau“ in der Hand. Genau, der Tocotronic-Sänger ist jetzt ebenfalls Buchautor, Schriftsteller, was die puristische Literaturkritik bestimmt schrecklich findet. Wichtiger in diesem Zusammenhang ist jedoch die Frage, wann eigentlich die nächsten Romane von Frank Spilker und Jochen Distelmeyer veröffentlicht werden? Oder ist diese Art von Boom auch schon wieder vorbei, fehlt es der Popmusik an literarischer Substanz?

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