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Kultur: Neuordnung der Wahlkreise: Auf die Plätze

Zwei Berufsgruppen, die Handwerker und die Parteistrategen, müssen sich auf Mehrarbeit einrichten. Erst sind die Lenker in den Parteizentralen dran.

Von Hans Monath

Zwei Berufsgruppen, die Handwerker und die Parteistrategen, müssen sich auf Mehrarbeit einrichten. Erst sind die Lenker in den Parteizentralen dran. Nur noch 299 statt, wie bisher, 328 Wahlkreise wird es bei der Bundestagswahl im Herbst 2002 geben. Entsprechend hart ist das Gerangel um Wahlkreise und sichere Plätze auf den Landeslisten. Wenn die Stimmen dann ausgezählt sind, sind die Handwerker am Zug. Nur 598 Sessel sind, falls es keine Überhangmandate gibt, im 15. Bundestag zu installieren. Zumal auch 29 Sitze weniger über die Landeslisten besetzt werden. Gegenwärtig sitzen dort 666 Abgeordnete. 656 waren vorgesehen, 13 kamen durch Überhangmandate hinzu, zwei legten ihr Mandat nieder und ein Parlamentarier starb. Nach einer neuen Regelung werden frei werdende Sitze nicht nachbesetzt, wenn ihr Wahlkreis bereits ein Überhangmandat hat.

Die Verkleinerung des Parlaments, 1998 von allen Parteien einmütig beschlossen, beschleunigt den normalen Generationenwechsel. Bei der SPD ist der Aderlass umfangreich, wenn er auch vornehmlich Abgeordnete aus der zweiten Reihe betrifft - da die der ersten Reihe auf der Regierungsbank sitzen. Auf einer internen Liste der SPD-Bundestagsfraktion sind es derzeit etwas über 40 Abgeordnete, die für den nächsten Bundestag nicht mehr kandidieren wollen. Grafik: Ab 2002 nur 299 Wahlkreise Augenfällige Machtkämpfe wird es in der SPD eher um die Wahlkreise geben als um Listenplätze. Zwei Kabinettsmitglieder, Finanzminister Hans Eichel und Sozialminister Walter Riester, haben kein Mandat, würden dem nächsten Parlament aber gern angehören. Was passiert, wenn Hans Eichel sich in seiner Heimatstadt Kassel um ein Mandat bewirbt? Schließlich gibt es mit Gerhard Rübenkönig einen Abgeordneten, der den Wahlkreis seit 1994 vertritt und freiwillig nicht gehen wird.

Oder in Frankfurt. Dort gibt es nach der Verkleinerung des Bundestags statt drei nur noch zwei Wahlkreise. Interesse am neuen Wahlkreis I haben die Parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, Gudrun Schaich-Walch und Klaus Wiesehügel. Der neue Wahlkreis umfasst große Teile der bisherigen Wahlkreise von beiden Konkurrenten. Wiesehügel, der als Vorsitzender der Baugewerkschaft 1998 erstmals in den Bundestag kam, will nicht weichen. Seine Stärke: Er verleiht dem linken Flügel in der Fraktion eine Stimme. Schaich-Walch kann dagegen mit ihrem Amt punkten.

An die Zahl von Volksvertretern knüpfen sich viele demokratietheoretische Überlegungen. Bislang hatte der durchschnittliche Wahlkreis 220 000 Einwohner, künftig werden es 250 000 sein. Für den Bürger bedeutet dies: Mehr Stimmen sind für ein Mandat nötig, also schwindet relativ das Gewicht der einzelnen Stimme. Kurz: Mehr Bürger müssen sich einen Abgeordneten teilen.

Am Dienstag präsentierte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden die Karte der künftigen Wahlkreise. 75 bekamen neue Grenzen. In Bayern wurde der einzige als sichere SPD-Hochburg geltende Wahlkreis München-Mitte zerschnitten. Vier Wahlkreise bleiben in der Landeshauptstadt - vier, für die sich die CSU Chancen ausrechnet. Brisant ist die Neuaufteilung auch in Berlin, wo die PDS Direktmandate gewinnen muss, falls sie bundesweit an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern sollte.

Das heftigste Gerangel wird bei den Grünen erwartet. Hier geht es nicht um Direktmandate, sondern um jene zweite Hälfte der Abgeordneten, die über Landeslisten in den Bundestag einziehen. Für gleich viele Prozentpunkte gibt es weniger Mandate. Zwar gibt die Parteispitze die Losung aus: "Das Problem ist lösbar - durch Stimmenzuwachs." Aber in Berlin und Baden-Württemberg müssen sich prominente Parlamentarier Sorgen machen, ob sie aussichtsreiche Listenplätze ergattern.

Die Geschlechter-Quotierung in der Partei, nach der mindestens alle ungeraden Listenplätze an Frauen gehen, beschert den Grünen in Baden-Württemberg eine knifflige Aufgabe: Die 9,2 Prozent Stimmen 1998 reichten, um vier Grünen-Männer in den Bundestag zu senden, nämlich Fraktionschef Rezzo Schlauch, den Deutsch-Türken Cem Özdemir, den Haushaltsexperten Oswald Metzger und den Parteilinken Winfried Hermann, der nach Schlauch den vierten Platz belegte. Verbessert sich die Partei nicht, fällt der vierte Mann durch. Und die Konkurrenz um die verbliebenen drei Plätze könnte sich noch erhöhen, wenn, was viele erwarten, Parteichef Kuhn sich entschließt, ebenfalls das Podium Bundestag zu nutzen. Neben Schlauch und Kuhn bliebe den Delegierten des Nominierungsparteitages nur noch ein sicherer Männerplatz zur Vergabe.

Während im Südwesten die Männer gegeneinander antreten, machen sich in Berlin die Frauen Konkurrenz. Drei Abgeordnete aus der Hauptstadt arbeiten für die Grünen im Bundestag. Neben Ex-Gesundheitsministerin Andrea Fischer und der Bau-Expertin Franziska Eichstädt-Bohlig ficht der einflussreiche Parteilinke Christian Ströbele für seine Sache. Aber da ist auch noch Verbraucherministerin Renate Künast, die bislang kein Mandat hat, aber als Ex-Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus über guten Rückhalt der Basis verfügt. Tritt sie an und steigern die Grünen ihr Berlin-Ergebnis von 1998 nicht, wird es eng für die Parteifreundinnen.

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