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Kultur: New York im Idyll

Der Metropolenmaler: Rainer Fetting bei Deschler

Der Andrang war wie in alten Zeiten. Bis weit auf die Auguststraße hinaus drängte sich die Menschentraube vor der Galerie Deschler. Die Luft im Innern: zum Schneiden. Es war einer der letzten wirklich heiteren Tage dieses Sommers.

Eine eigene Heiterkeit liegt auch auf den neuen Bildern Rainer Fettings, die er von einem mehrmonatigen Aufenthalt in New York mitgebracht hat. Es sind Großstadtbilder, ganz so, wie die „Moritzboys“ seligen Angedenkens einmal angefangen haben, damals Ende der Siebzigerjahre am Moritzplatz in ihrer legendären Atelier-Galerie. Der Furor oder, wie man damals gerne sagte, die „Malfaust“ ist noch dieselbe. Aber Fetting zeigt die Metropole insbesondere in seinen kleinformatigen Ölskizzen von einer geradezu pariserisch freundlichen Seite. Es ist die unvoreingenommene Neugier, die die frisch-bunte Reihe seiner – streng auf Unterkante gehängten – 23 Stadtansichten auszeichnet (4000 – 11000 Euro).

An Heiterkeit zu denken, scheint sich bei den in der Ausstellung dominierenden, großformatigen Subway-Bildern zu verbieten. Aber auch hier ist es nicht das im Wortsinne Untergründige, das den Maler gereizt hat, sondern das eigentümliche Farbenspiel, das sich unter künstlicher Beleuchtung, vor schummrigem Hintergrund und in der Flüchtigkeit der vorbeidonnernden Züge einstellt. Zwei motivgleiche Bilder dominieren den Parcours bei Deschler. „Big Subway 23rd Street“, 180 mal 360 Zentimeter groß (70000 Euro), zeigt die streng funktionale Statik eines typischen New Yorker Untergrundbahnhofs in klarem Gelb- (Dunkel-)Blau-Kontrast. Malerisch eingesprengt sind die bläulich schimmernden Wasserlachen zwischen den Gleisen. „Subway 23rd Street“ (53000 Euro), das mit 160 mal 250 Zentimetern in den rückwärtigen Raum ausweichen musste, versetzt Formen und Farben stärker in Bewegung und deutet subtil die Horizontale eines vorüberziehenden Bildeindrucks an.

Große Figurenmaler waren die „Jungen Wilden“ nie. Nicht von ungefähr sind Fettings berühmteste Figurenbilder, etwa aus der Reihe „Van Gogh an der Mauer“, flüchtig erfasste Personen ohne individuelle Ausprägung. Es sind stets gemalte Emotionen; daher auch das Beiwort „neo-expressionistisch“. Darüber ist Fetting ersichtlich ein gutes Stück hinweg. Seine U-Bahn-Bilder, zu denen Ansichten aus dem voll besetzten Zug oder aus Zwischengeschossen der unübersichtlichen Bahnhöfe zählen, zeigen den kompositorischen Anspruch. Die Sechsergruppe der „Cops“, der Polizistenporträts, die der Leiter der Kunsthalle Wilhelmshaven – der Heimat des 1949 geborenen Künstlers – in seiner Eröffnungsrede eindringlich hervorhob, ersetzen durch Farbfreude, was ihnen an physiognomischer Beobachtung abgeht (jeweils 22000 Euro).

Nein – Fetting ist ein Großstadtmaler par excellence, er schmeckt die Essenz der Metropole, hat Sinn für die Übersetzung des Atmosphärischen in Malerei, in das Wechselspiel von Form und Farbe. Blättert man in dem Katalog der Ausstellung, in der Fetting Anfang 1990 die untergehende DDR mit seiner West-Sicht Berlins bekannt machte, wird die Klärung der malerischen Mittel des 1972-78 an der Berliner Hochschule der Künste ausgebildeten Malers eindrücklich klar. Der Abstand, auch die zwischenzeitliche Pause haben ihm gut getan. Rainer Fetting ist dabei, sein reifes Werk zu schaffen.

Galerie Deschler, Auguststraße 61, bis 12. November; Dienstag bis Sonnabend 13–18 Uhr.

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