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Kultur: Nicht von Pappe

In Berlin ist der Dadaist Hans Arp als Papierpoet zu erleben

Arm war der Künstler. Arm sein Werk. Und das große Geld hat man damit erst nach seinem Tod gemacht. Papier, Gips, Holz, Textil: Die Materialien, mit denen der Dadaist Hans Arp seine Formensprache entwickelte, standen im Gegensatz zu den Stoffen der traditionellen Kunstwelt. Keine Ölmalerei. Keine Bronze. Selbst für den Guss der Skulpturen war kein Geld da. Und es blieb bei den Modellen, die Arp gelegentlich, damit es nach mehr aussah, bunt anmalte. Erst auf der Biennale in Venedig 1954 kommt der Durchbruch. Arp erhält den Großen Preis für Skulptur, es folgen Aufträge der Universität von Caracas und der Unesco in Paris. Da jedoch ist der Künstler schon fast 70 und hat nur noch 12 Jahre zu leben.

Kein Wunder also, dass die Arbeiten auf Papier schon quantitativ im Zentrum des Œuvres stehen. Hier probierte Arp aus, spielte mit den Grundelementen, die er entwickelt hatte, jenen weichen, runden Formen, die so sehr sein Markenzeichen geworden sind: das Ei, zum „bewegten Oval“ fortentwickelt, der Nabel, die Gabel, die Flasche. Wie Bauklötzchen bewahrte der Künstler die Formen in einem Kasten auf, arrangierte, kombinierte nach Zufall und Prinzip, fügte schließlich Farben hinzu, erzählt die Arp-Forscherin Walburga Krupp. Eine von ihr kuratierte Ausstellung der Arp-Stiftung Rolandseck, derzeit im Berliner Kunstforum zu Gast, erhellt mit 170 Werken den Entstehungsprozess, aber auch die Wiederverwendung der Elemente aufs Schönste – und will gleichzeitig die Poesie im Werk des Dada-Künstlers und Multitalents Hans Arp entdecken.

Und doch sind es die Skulpturen, die Arp berühmt gemacht haben. Und es sind die Skulpturen, die den Namen des Künstlers, nicht zuletzt auch die Arp-Stiftung selbst, in der Vergangenheit in die Schlagzeilen gebracht haben. Die „Gussrechte“, nach denen Skulpturen nach dem Tod des Künstlers in festgelegten Auflagenzahlen erstellt werden, sind im Fall Arp besonders wichtig. Waren doch zu Lebzeiten aus Kostengründen nur wenige Skulpturen verwirklicht worden. Nun finanzieren sich die drei Arp-Stiftungen (neben der in Rolandseck existiert eine in Arps Wohnort in der Schweiz und eine in Frankreich) hauptsächlich durch Guss und Verkauf von Arp-Skulpturen. Posthume Verwirklichung eines lebenslang unvollendeten Werks – oder rücksichtslose Ausbeutung des Künstler-Œuvres zu Profitzwecken?

In Rolandseck bei Bonn am Rhein kulminiert der Streit. Anfang der Sechzigerjahre hatte Johannes Wasmuth den verfallenen klassizistischen Bahnhof, malerisch am Rhein gelegen, als Kunst- und Konzertort wiederbelebt. Schnell entstand, durch Vermittlung von Hans Richter, der Kontakt zu Hans Arp, der einwilligte, seine Plastik „Bewegtes Tanzgeschmeide“ dorthin zu geben. Der Guss jedoch entstand erst vier Jahre nach dem Tod des Künstlers und wurde von seiner Witwe Marguerite Arp autorisiert. Und seit 1977 residiert dort die Arp-Stiftung.

Inzwischen ist der Bahnhof Rolandseck aufwändig restauriert und seit Oktober wieder nutzbar. Am Hang oberhalb des Bahnhofs entsteht bis 2007 ein großzügiges Museumsgebäude des amerikanischen Star-Architekten Richard Meier. Das Land Rheinland-Pfalz und die Arp-Stiftung haben in einer neuen vertraglichen Form die Zuständigkeiten geregelt. War ursprünglich gedacht, dass das Land, Eigentümer von mehr als 400 Arp-Werken, das Museum baut, die Stiftung es jedoch eigenständig unterhält, ist nun eine Kooperationslösung gefunden: Es entsteht eine neue Stiftung, an der Land und Arp-Stiftung Teilhaber sind, und die das Museum gemeinsam betreibt. Ein notwendiges Mitspracherecht für das sich mit 25 Millionen Euro finanziell stark engagierende Bundesland – oder doch auch Kontrolle über den Umgang mit Arps Vermächtnis?

Für einen jedenfalls kommt die Konstruktion zu spät: Der bisherige Direktor des Arp-Museums Raimund Stecker wird das neue Museum nicht mehr einweihen. Zu deutlich hatte er wohl die Gusspraxis der Stiftung kritisiert. Stattdessen ist eine Findungskommission berufen, die einen neuen Direktor wählt.

Nur klug daher, dass die Stiftung sich für ihr Berlin-Intermezzo auf die unverfänglichen Papierarbeiten verlegt. In Berlin hatte Arp 1913 einige Monate in Herwath Waldens Galerie „Sturm“ gearbeitet, hat dort vielleicht Apollinaire und dessen Gedichte kennen gelernt. Arps Skulpturen übrigens sind derweil in einer großen Ausstellung in Japan zu sehen – und begeistern dort mit ihrer Formenvielfalt.

Kunstforum der Berliner Volksbank. Budapester Str. 35, bis 31. Juli, täglich 10 bis 18 Uhr. Katalog 14,90 Euro.

Christina Tilmann

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