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Kultur: Nichts als die nackte Haut

Der chinesische Performancekünstler Zhang Huan in der Galerie Volker Diehl

Kann man Bücher essen? Man kann. Zhang Huan hat als Schüler Seiten aus Büchern herausgerissen und verspeist, in der Hoffnung, sich so den Inhalt merken zu können. Als Erwachsener hat Zhang die Mühe mit dem Wissen nun ähnlich drastisch in Szene gesetzt. In der Universitätsstadt Boston band er sich Bücherstapel an die Beine und versuchte, mit dieser Last nackt einen Fahnenmast zu erklimmen. Oben wehte die Flagge der USA, in die er 1998 eingewandert ist: Zhangs Werk und seine Biografie greifen eng ineinander.

Die Einzelausstellung in der Galerie Volker Diehl bringt das eindrücklich auf den Punkt. Eine Aufnahme der frühen Aktion „To Raise the Water Level in a Fishpond“ bei Beijing, für die Zhang arbeitslose Fischer in einen Teich steigen ließ, erinnert an seine Wurzeln in der chinesischen Performancekunst (Auflage: 15, 13 500 Euro). In der neuen Siebdruck-Serie „Soft-Hard Kung Fu“ dagegen, die den Künstler schemenhaft bei Kampfkunstübungen zeigt, überrascht Zhang mit Zitaten aus der traditionellen chinesischen Zeichnung – der studierte Maler hält sich derzeit wieder öfter in China auf (16 Teile, Auflage 68, 58 000 Euro). Mittelpunkt der Ausstellung aber sind Fotografien von Soloperformances. Dazu gehört neben „My Boston-Flag Series“ (8 Teile, Auflage: 12, 30 000 Euro) die Reihe „Window“ (Auflage: 8, 50 000 Euro). Sie stellt exemplarisch Zhangs radikalen Einsatz seines Körpers vor: Neun großformatige Farbfotos zeigen den halbnackten Künstler hinter, vor, auf und unter einem Esel. Was zunächst aussieht wie Sodomie, handelt auf den zweiten Blick von den Strapazen des Gerangels für Mensch und Tier. Zhang geht es weder um Sünde noch um Sühne. Er kommentiert die mühselige menschliche Existenz, über die bloße Haut will er seine Umgebung direkt erfahren. Der Mensch ist nicht einsames Subjekt, sondern Teil des großen Ganzen – so viel Asien muss auch im Westen sein.

Dennoch können die Dinge auf verschiedenen Kontinenten Verschiedenes bedeuten. In China waren Zhangs Fotografien Dokumente oppositioneller Aktionen, im Westen sind sie auch Handelsware. Das ist dem Künstler eine kleine Spitze wert. Als sich Zhang Huan in Boston auf einen Büchertisch legte und antiquarische Kunstbände auf seinem Rücken stapeln ließ, platzierte er neben sich gut sichtbar ein Buch über das Auktionshaus Sotheby’s.

Galerie Volker Diehl, Zimmerstraße 88-91, bis 24. April; Dienstag bis Samstag 11 – 18 Uhr.

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