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Kultur: Nigel Christ Superstar

CROSSOVER

Im Grunde könnte Violinenvirtuose Nigel Kennedy der nette Junge von nebenan sein. Wäre der 46-Jährige mit der Punkfrisur nicht auf das Image des Enfant terrible der klassischen Musik festgelegt. Beim Gastspiel in der Berliner Columbiahalle fällt die Maske, die pubertären Sprüche, seine Coolness, die Zerstreutheit wirken gespielt. Er trinkt Tee aus einer mit Herzchen bedruckten Tasse. Die Atmosphäre ist die eines Rockkonzerts, die Luft ist verraucht, der Saal unbestuhlt. Hochkulturjünger sieht man hier keine. Das Schlagzeug rumpelt die ersten Takte des „Kafka“-Albums von 1996. Die durch Verzerrer und Effektbank entstellten Geigentöne würden einem Heavy-Metal-Gitarristen zur Ehre gereichen. Kennedy spielt die schlichten Melodien mit Gelassenheit, während die Begleitband um den polnischen Gitarristen Jarek Smietana ein Klangbild sucht. Der Geigen-Exzentriker bleibt dabei weit unter seinen Möglichkeiten. Erst allmählich lässt er sein tiefes Verständnis für harmonische Strukturen erkennen. Er rast virtuos und wie besessen durch die Jazz- Schemata. Das musikalische Experiment aber schlägt fehl. Zum einen, weil die Band ihm nichts entgegenzusetzen hat, aber auch, weil es an innovativem Material fehlt. Man hat das Gefühl, Nigel Kennedy, dieser Paganini-Bastard, ist weiter auf der Suche nach einer musikalischen Identität. Man denkt, Nigel Kennedy wäre gern ein Rockstar. Aber er ist es nicht.

Michael Schultheiss

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