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Kultur: Nigel und die Spago Bolo

Süß: „Toast“ erzählt aus der Jugend eines Starkochs

Das beste Gewürz für ein gutes Essen? Nicht Knoblauch oder Salz, meint Nigel Slater, sondern eine gute Prise Nostalgie. Der britische Starkoch, Kolumnist und Autor ist in seiner Heimat so bekannt wie Jamie Oliver. Sein autobiografischer Bestseller „Toast“ teilt die Nostalgie gleich kellenweise aus; der gleichnamige BBC-Fernsehfilm (2010) kommt jetzt in unsere Kinos. Direkt gekocht wird darin aber kaum, denn die Geschichte beschränkt sich auf Slaters Kindheit und Jugend in den Sechzigern, die Geburt eines Meisterkochs aus Eifer- und Sehnsucht. Sein Einstieg in die Berufswelt, mit einem winzigen Cameo des Autors, steht ganz am Ende.

Dennoch geht es um fast nichts als Essen. Der etwa zehnjährige Nigel (grandios in seiner unschuldigen Neugier: Oscar Kennedy) lebt ein freudloses Mittelklasse-Leben zwischen asthmakranker Mutter und mürrischem Vater. Er hat eine feine Zunge, kauft beim Dorfkrämer lieber Schweinepastete als Bonbons, lässt die drögen Sandwichs seiner Mutter beim Ausflug im Gebüsch verschwinden. Und auch zu Hause wird er von der Mutter kulinarisch misshandelt. Sie scheitert sogar an der Aufgabe, Dosen im heißen Wasser zu erwärmen, und wenn sie einen Kuchen backt, fällt der entweder zusammen oder brennt an, meist beides.

Nur eine Köstlichkeit gelingt ihr: Es ist Toast, außen knusprig, innen weich, mit gesalzener Butter, eine Art Initiation des Jungen in die Wunder der Kulinarik. Nachts blättert er heimlich in Kochbüchern, überredet seine Eltern zu Spaghetti Bolognese, diskutiert mit dem Gärtner über Rosen, Kräuter und Genuss.

Bis zum Tod der Mutter (Victoria Hamilton) malt der Film das Familienschicksal anrührend aus. Dann tritt Mrs. Potter auf die Bühne, und aus dem nostalgischen Melodram wird eine Groteske. Helena Bonham Carter gibt die Putzfrau als zickige Aufsteigerin, die sich den beleibten Witwer (Ken Stott) mit gezieltem Einsatz von Nahtstrümpfen und ZitronenBaiser-Torte gefügig macht.

Nigel, nun dargestellt von Freddie Highmore, nimmt den Kampf um die Gunst des Vaters auf seine Weise auf. Er belegt an der Schule als einziger Junge den Hauswirtschaftskurs und schleppt fette Kuchen nach Hause, Auftakt einer Tortenschlacht gegen die verhasste Stiefmutter, die ihrerseits alles aufbietet, was essbar ist. Dass der Witwer diese Attacken nicht lange überleben wird, zeichnet sich rasch ab. Nigel bricht schließlich nach London auf und beginnt, der zu werden, der er heute ist.

Kein Fressfilm also, sondern ein Coming of Age, die Story eines Jungen, der den Tod seiner Mutter überwindet, indem er sich ans Essen klammert, das zum Lebensinhalt wird. Die Regisseurin S.J. Clarkson verlässt sich auf die Ausstattung und die herausragenden Darsteller, lässt die Kamera aber ums Essen selbst eher aus der Distanz herumfahren, nichts duftet, nichts lockt, es bleibt Randerscheinung. Angesichts der geringen Präsenz Slaters in Deutschland wird der Film dieses Schicksal vermutlich teilen. Beim „Kulinarischen Kino“ der jüngsten Berlinale immerhin wurde er sehr freundlich aufgenommen. Bernd Matthies

Filmkunst 66, Xenon; OmU im Babylon Kreuzberg (OmU)

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