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Kultur: Nimm zwei

Werden Literatur- und Poesiefestival fusionieren?

Von Gregor Dotzauer

Die Jubelmeldungen sind verschickt, und wieder war es ein Rekordjahr für das Internationale Literaturfestival Berlin (ilb). 34 000 Besucher bei 254 Veranstaltungen: Das, heißt es, gab’s noch nie. So wird es das nächstes Jahr aber auch nicht mehr geben. Denn das siebte ilb war, und das ist sein unstrittigster Erfolg, das letzte seiner Art. Nach Jahren des immer neuen Bangens um öffentliche Subventionen soll es auf Dauer bei den Berliner Festspielen angesiedelt werden, wie Kulturstaatsminister Bernd Neumann in seiner Eröffnungsrede erklärte. Der Clou ist, dass dort künftig auch das konkurrierende Poesiefestival untergebracht werden soll. Die Konkurrenzsituation liegt allerdings nur zum Teil in der Sache selbst. Der Unverträglichkeitskern der beiden Großveranstaltungen liegt vielmehr in den Persönlichkeiten der beiden Festivalleiter: Ulrich Schreiber, dem Gründer und Chef des ilb, und Thomas Wohlfahrt, dem Leiter des Poesiefestivals und der veranstaltenden Literaturwerkstatt.

Wer verliert, wer gewinnt dabei? Wird es zu einer Zusammenlegung der beiden Festivals kommen? Wie streng muss Joachim Sartorius, der Intendant der Festpiele, die beiden Streithähne an die Leine nehmen, um eine Einigung zu erzielen? Vieles ist zum jetzigen Zeitpunkt Spekulation. Wer kulturpolitisch den stärksten Einfluss auf Land und Bund hat, steht indes fest: Es ist Sartorius, der die Gastfreundschaft, die er in den letzten drei Jahren Schreiber gewährte und nun zur festen Allianz ausbaut, Wohlfahrt sicher nicht in gleichem Maße anbieten kann und wird.Und warum sollte er? Konzeptionell betrachtet, ist schwer nachvollziehbar, warum im Frühsommer wie bisher erst ein reines Poesiefestival stattfinden soll und im Herbst dann ein Literaturfestival, das alle Gattungen bedient.

Beide Festivals neigen dazu, sich größer zu machen, als sie sind. Das Multimediale, zum Markenzeichen des Poesiefestivals erklärt, wirkt in manchen Fällen ebenso aufgesetzt wie das wissenschaftliche Begleitprogramm. Und das ilb mit seiner Tendenz zum kaum moderierten Lesemarathon rechnet in seine Bilanz auch großzügig Veranstaltungen des Hauses der Kulturen der Welt mit ein, die aufs Konto der Asien-Pazifik-Wochen gehen.

Denkbar ist, das Poesiefestival dem Literaturfestival als eigene Sektion zu assoziieren, vergleichbar etwa dem Berlinale-Forum als Teil der Filmfestspiele mit eigener Leitung. Das würde es auch erlauben, Schreiber ein Stück von der Lyrik abzuringen, die derzeit einen prominenten Platz bei ihm einnimmt. Schlanker, programmschärfer und, was die Vermittlung schwieriger Texte angeht, einfallsreicher und didaktisch lustvoller müssen beide Festivals werden. Organisatorisches Geschick ist dabei das eine, literarische Expertise das andere. Ein Dilemma für Schreiber und Wohlfahrt, dass beides zugleich niemand besser als Sartorius verkörpert. Gregor Dotzauer

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