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Über dem Kaminsims hängt das Porträtbild ihres Großvaters, des einstigen Villen-Besitzers Hans Arnhold: Nina von Maltzahn in der American Academy.

© Deike Diening

Nina von Maltzahn und die American Academy: Die generöse Enkelin

Nina von Maltzahn spendet der American Academy zehn Millionen Dollar. Eine Begegnung mit der Mäzenin und Weltbürgerin in der Wannsee-Villa ihrer Großeltern.

Ihr Großvater, erzählt Nina von Maltzahn, habe gesagt, dass sie es mit einem „Danke“ und „Bitte“ im Leben weit bringen würde. In der legendären Bibliothek der American Academy hoch über dem Wannsee blickt eben dieser Großvater, der Bankier Hans Arnhold und ehemalige Besitzer der Villa, von seinem Porträtbild über dem Kaminsims freundlich in den Raum. Unter ihm sitzt die quicklebendige Enkelin Nina, Mitte 70 ist sie inzwischen. Nina Freifrau von Maltzahn hat soeben die ungeheure Summe von zehn Millionen Dollar für die American Academy gespendet. Diese Spende kann nur verstehen, wer ihre Familiengeschichte kennt.

„Wollen Sie das wirklich alles wissen?“, fragt Nina von Maltzahn – sie selber lässt die „Freifrau“ gerne weg – und schickt einen prüfenden Blick über den lederbezogenen Tisch. Sie hat einen Ruf zu verlieren als Mäzenin von großer Verschwiegenheit. Für das Curtis Institute of Music in Philadelphia hat sie 55 Millionen Dollar gespendet, die American Academy unterstützt sie seit Langem, und in Uruguay hat sie vor zwölf Jahren ein Projekt für benachteiligte Kinder aus der Taufe gehoben. Tue Gutes und rede nicht darüber – damit ist sie immer gut gefahren.

Dann ist sie aber doch bereit zu erklären, wie aus dem verheißungsvollen Klang des Wortes „Wannsee“ nun zehn Millionen Dollar für die Institution im Haus ihres Großvaters wurden. Sie ist ein Spross jener intellektuellen, jüdischen Familie, die nach der Emigration in New York das Bankhaus „Arnhold & S. Bleichroeder“ führte. Durch deren Salons echote das Wort „Wannsee“, der Nachhall der jüngeren Geschichte. Das Mädchen hörte zwiespältige Dinge über Berlin, vom „Strandbad“, von „Zille“, vom „Tanz auf dem Vulkan“. Es wusste, da hatte es dieses großartige Haus gegeben mit Blick über den See, in dem ihre Mutter aufgewachsen war, bis diese mit den Großeltern 1933 nach Paris emigrieren musste.

Ihre Mutter, das war die Journalistin Ellen Maria Gorrissen, die später wieder nach Europa ging, ihre treffenden Analysen in grüner Tinte schrieb und dabei alle Unterlagen rund um ihr Bett auszubreiten pflegte. Erzogen wurde sie von ihren Großeltern. An die beiden hegt Nina von Maltzahn die wärmsten Erinnerungen. Wie sie einen ganzen Monat im Sommer zu ihr in die Schweiz nach Gstaad kamen, wo sie im Mädcheninternat lebte, weil „das Mädchen eine europäische Ausbildung braucht“. Wie sie den Großeltern Klavier vorspielte. Wie ihr Großvater sie mit einem Busticket einen ganzen Tag durch Paris zum Sightseeing schickte und wie er sich in den Kopf gesetzt hatte, dass er an seinem 70. Geburtstag den Papst in Rom treffen wollte. Was auch geschah. Pius XII. nannte Nina „mein liebes Kind“.

Die Ideen in der Bankiers- und Unternehmerfamilie Arnhold waren immer schon etwas verwegener. Man war es gewohnt, in großen Zügen zu denken, etwas Braches in etwas Florierendes zu verwandeln, und so gab es weitreichende Projekte und Mäzenatentum. Ihr Großonkel Eduard Arnhold hatte unter anderem mit den Erlösen aus seinen Kohle-Abbaugebieten in der Oberlausitz die Villa Massimo in Rom gegründet und 1911 dem preußischen Staat geschenkt. Leider starb der Italienverehrer, bevor er sehen konnte, wie diese Institution zur renommiertesten Künstlerförderung Deutschlands wurde.

Nina reiste mit ihren Großeltern durch das Europa der 60er Jahre, mit den Koffern auf dem Autodach, und suchte ihren Platz in der Welt. Sie machte ihr Baccalaureat in Genf, studierte dort Englisch, Französisch und Deutsch, um Simultandolmetscherin zu werden. Aber sie hatte noch nie gearbeitet. „Such dir einen Job, und ich verdopple dir dein Gehalt“, sagte der Großvater darauf. Nina von Maltzahn lächelt noch heute, wenn sie an seine spezielle Mischung aus praktischen Ideen und latenter Grandezza denkt. „Ich habe diesen Satz später auch ein paar Mal benutzt.“ Er habe jedes Mal gewirkt.

Damals suchte sie sich eine Übersetzerarbeit, warf bald hin, arbeitete in einer Boutique, blieb 25 Jahre in Genf, heiratete einen Schweizer, „aber nur kurz“, dann 1970 einen Berliner, der für eine Firma in Montevideo arbeitete. Für 13 Jahre zog sie mit ihm nach Uruguay. Doch die Liebe zum Land war nachhaltiger als die zum Mann, nach der Scheidung besaß sie etwas Land und ein Haus und verbrachte fortan alle Ferien dort. Lesend in aller Stille, anfangs noch auf einem Baumstumpf sitzend, mit Freundinnen.

Aber immer Ferien? „Was sollte ich tun?“ Zurück in der Schweiz heuerte sie bei den „Leading Hotels of the World“ an, kümmerte sich um „Sales and Marketing“ von über 300 Luxushotels auf dem englischen und deutschen Markt. Reiste um die Welt. Verbrachte viel Zeit unter heißen Lampen in kleinen Boxen internationaler Messestände. Weinte überfordert vor dem Computer. Lebte aus dem Koffer, nutzte ihre Sprachen, verhandelte Firmenraten für ihre Hotels. Sie hatte einen dieser Berufe erwischt, die deshalb so zehrend sind, weil man sich mit seiner ganzen Person auf die Bedürfnisse des Gegenübers einschwingen muss. Sie konnte das gut. „Aber ich war erschöpft. Ich hatte zum ersten Mal richtig gearbeitet.“

Und dann, das ist jetzt über 30 Jahre her, wurde sie Lothar von Maltzahn vorgestellt. Es war merkwürdig. Sie konnte die ganze Welt bewohnen, aber am Ende zog es sie zu einem Preußen. Ihre Bedingung für eine Heirat: Du musst Uruguay lieben. Seine Bedingung für eine Heirat: Dieser in Aussicht stehende Job, bei dem sie zweimal im Jahr für eine Hotelkette Kunden betreuen sollte, das würde nicht funktionieren. Denn im Frühling seien sie schließlich in Uruguay und im Herbst sei Jagdsaison. Und dann heirateten sie 1990, die Mauer war gefallen, die Zweiteilung der Welt zerbröselte, und ein Scharnier der Verschiebungen des Machtgefüges lag ausgerechnet in Berlin, wo noch immer das Haus ihres Großvaters stand.

Es hatte all die Jahre stoisch über den Wannsee geblickt.

Zum ersten Mal gesehen hat Nina von Maltzahn es 1971. Mit ihrer Mutter linste sie durch den Zaun, es wurde gerade als Offiziersklub für die Amerikaner genutzt. Später lief die Mutter irritiert durch die Räume ihrer Kindheit, „da gehört eine Treppe hin“. Nina musste lachen: Wie könnte sich das Haus nicht verändert haben in all der Zeit, in der die Geschichte durch es hindurchtrampelte? Nach den Arnholds war Walther Emmanuel Funk eingezogen, der Reichswirtschaftsminister, der Goebbels-Vertraute und Präsident der Reichsbank brauchte eine Amtswohnung. Die Rote Armee soll die Villa nach dem Krieg verwüstet haben, bevor die Amerikaner kamen. 1953 wurde das Haus an die Arnholds rückübertragen, 1958 verkauften sie es an die Bundesrepublik. Die Stadt Berlin brachte hier auch einmal Flüchtlinge unter.

Es war die Idee des verhandlungsstarken US-Botschafters Richard Holbrooke, aus dem Haus eine Institution zu machen, die auf höchster politischer und wissenschaftlicher Ebene das deutsch-amerikanische Verhältnis pflegen sollte. Dafür wollte er das Einverständnis der Familie.

Es war ja immer klar, dass die Vergangenheit der Arnholds in diesem Haus zu finden ist. Aber mussten sie ihm deshalb auch eine Zukunft ermöglichen? Man hätte dem Land, das sie in die Emigration zwang, auch ein für alle Mal den Rücken kehren können, statt mit großzügigen Geschenken zurückzukehren.

Die Großeltern hätten das gewollt, meinte eine Cousine. „Das war auch mein erster Gedanke“, sagt Nina von Maltzahn. Die Familie stellte einen Teil des Gründungskapitals für das Hans Arnhold Center, die Enkelin engagierte sich in der American Academy. Sie wollte nicht nur Geld geben, sondern ließ sich ins Kuratorium wählen, finanzierte den Garten und unterstützte den luftigen Erweiterungsbau am Wasser durch die Architekten Barkow Leibinger. Die zehn Millionen Dollar sollen nun in die Erhaltung des Hauses fließen. „Das ist immer das Letzte, woran man denkt“, da ist sie Pragmatikerin. Es gebe sogar einen Showroom, in dem der Stil des Hauses anhand von Bett und Tisch exemplarisch gezeigt wird. Auf gewisse Art funktioniere die Academy mit ihren ständig wechselnden Fellows ja wie ein Hotel. Ein Leading Hotel of the World natürlich. Der Geist braucht ein Gehäuse.

Nina Freifrau von Maltzahn strahlt etwas praktisch Zupackendes aus, das sich fürs Bettenmachen nicht zu schade ist. Und dahinter – oder vielleicht genau dadurch – eine latente Grandezza. Von alledem will sie in den nächsten Jahren mehr in die Academy einbringen.

Sie habe auch Fehler gemacht, sagt Nina von Maltzahn. Vor allem mit ihren frühen Ehemännern. Sie lacht. Dann läuft sie in der Bibliothek wie von einer Schnur gezogen auf ein Regal zu und zieht ein Buch heraus, „The Divine Husband“. „Darf ich das ausleihen?“ Und schon verschwindet der göttliche Ehemann in ihrer Handtasche.

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