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Medizinische Heilkunst: Der Bader (Stellan Skarsgard, re.) muss sich einem ihm unbekannten Eingriff unterziehen.

© dpa

Noah-Gordon-Verfilmung: Ärzte über Grenzen

Dem Regisseur Philipp Stölzl ist es gelungen, mit einem bescheidenen Budget von nur 26 Millionen Euro aus dem Historienroman „Der Medicus“ einen spannenden Film zu machen, der sich vor der Konkurrenz aus Hollywood nicht verstecken muss..

Obwohl Noah Gordons historischer Roman „Der Medicus“ gleich nach seinem Erscheinen 1986 zum Weltbestseller avancierte und sich allein in Deutschland sechs Millionen Mal verkaufte, hat es bis zur Verfilmung fast 30 Jahre gedauert. Was erstaunlich ist: Die Geschichte des jungen Engländers, der sich aus dem mittelalterlichen Abendland nach Persien aufmacht, um das ärztliche Handwerk zu erlernen, schreit förmlich nach filmischer Umsetzung. Äußerst plastisch sind Gordons Schilderungen über das Leben im 11. Jahrhundert und die kulturelle Kluft zwischen Orient und Okzident. Gleichzeitig bedient das 850 Seiten starke Werk als mittelalterliches Roadmovie und abenteuerliche Coming-of-Age- Geschichte fast prototypisch klassische Genremuster des Kinos.

Wer diesen epischen Stoff jedoch verfilmen will, braucht den Willen zum Monumentalen. Vielleicht traute sich deshalb keiner, die Rechte in Hollywood zu erwerben. Weil dies ein Vorhaben ist, an dem man sich leicht verheben kann. Schließlich bekam nach langwierigen Verhandlungen mit Noah Gordon der „Teamworx“-Produzent Nico Hoffmann den Zuschlag. Hoffmann finanzierte das 26 Millionen teure Projekt, das in englischer Sprache gedreht wurde und mit internationaler Besetzung auf den Weltmarkt zielt, vorwiegend aus deutschen Fördertöpfen. Als Regisseur wurde Philipp Stölzl unter Vertrag genommen, der in „Nordwand“ sein Faible für dramatische Naturkulissen und mit „Goethe!“ einen lockeren Umgang mit geschichtsträchtigen Stoffen unter Beweis gestellt hat.

Stölzl und sein Drehbuchautor Jan Berger haben die voluminöse Vorlage selbstbewusst gestrafft. Die Fans von Gordons Roman müssen herbe Verluste hinnehmen. Das mittelalterliche London und dessen handwerkliches Zunftwesen, die im Buch atmosphärisch dicht beschrieben werden, verwandeln sich hier kostensparend in ein kleines Bergarbeiterdorf. Kindheit, Jugend und Lehre des Waisenjungen Rob Cole (Tom Payne), der an der Seite eines Baders (Stellan Skarsgård) in England seine ersten medizinischen Erfahrungen sammelt, werden in einer halben Kinostunde abgehandelt.

Die Reise quer durch Europa über Konstantinopel nach Persien wird auf dem Seeweg abgekürzt. Als Schleuse zwischen den Kulturen ist diese Reise, in deren Verlauf sich der Held vom engstirnigen Christenmenschen hin zu einem offenem kosmopolitischen Geist entwickelt, im Roman von zentraler Bedeutung. Im Film landet der Engländer, der sich als Jude ausgibt, um im muslimischen Isfahan bei dem bekannten Mediziner Ibn Sina (Ben Kingsley) studieren zu können, unvorbereitet im multikulturellen Mikrokosmos der persischen Stadt.

Dadurch werden die Kontraste schärfer zwischen dem düsterem mittelalterlichen Abendland, wo religiöse Eiferer der katholischen Kirche die Heiler der Hexerei bezichtigen, und dem der Wissenschaft aufgeschlossen Orient, in dem das medizinische Wissen der Antike bewahrt und weiterentwickelt wird. Aber auch in Isfahan, das von einem launischen Schah (Olivier Martinez) regiert wird, lauert die fundamentalistische Gefahr. Die Heerscharen der Seldschuken sammeln sich in der Wüste zum Angriff und verbünden sich mit den Mullahs in der Stadt, die die medizinischen Lehren Ibn Sinas als gottloses Zeug verdammen.

Den Konflikt zwischen wissenschaftlichen und religiösen Wahrheitsansprüchen arbeitet Stölzl im konventionellen Gut-Böse-Schema heraus und presst damit den historischen Stoff ein wenig zu deutlich in die antifundamentalistischen Denkformate der Post-Nine-Eleven-Ära. Dem gegenüber steht das offene filmische Bekenntnis zum Eskapismus, mit dem sich „Der Medicus“ an Klassiker wie „Lawrence von Arabien“ anlehnt.

Auch wenn das Budget für monumentale Exzesse nicht ausgereicht hat, mogelt sich Stölzl mit handwerklichem und ökonomischem Geschick ins epische Kinoformat hinein. Hier ein paar illustre Aufnahmen aus der marokkanischen Wüste, dort ein paar digitale Heerscharen, all das gehört sich so für eine Großproduktion – auch wenn hier nur ein Bruchteil der Geldbeträge zur Verfügung stand, die beispielsweise Peter Jackson in seiner „Hobbit“-Trilogie verbraten hat. Aus den reichhaltigen inhaltlichen und beschränkten finanziellen Ressourcen hat Philipp Stölzl mit „Der Medicus“ ein stimmiges, kurzweiliges Stück Unterhaltungskino geschaffen, das sich im Konkurrenzgefüge der internationalen Filmindustrie sehen lassen kann.

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