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Nobelpreis: Pamuk will kein "Brückenbauer" sein

Im Vorfeld der Verleihung des Literaturnobelpreises an den Türken Orhan Pamuk hat der Preisträger eine nachlassende "Begeisterung" für einen EU-Beitritt der Türkei beklagt. Die Rolle eines Brückenbauers zwischen Ost und West lehne er aber ab.

Stockholm - Der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk hat vor der Entgegennahme des Literaturnobelpreises die Rolle eines "Brückenbauers" zwischen Islam und westlicher Kultur zurückgewiesen. Bei einer Pressekonferenz nach seiner Ankunft in Stockholm vor der Preisverleihung am 10. Dezember sagte der 54-Jährige: "Das ist ein Etikett, das mir Politiker und Medien verpasst haben. Ich mag es nicht." In der Begründung für die erste Verleihung des Nobelpreises an einen türkischen Autor hatte die Schwedische Akademie erklärt, Pamuk habe "neue Sinnbilder für Streit und Verflechtung der Kulturen gefunden".

Pamuk hatte nach der Zuerkennung des Nobelpreises im Oktober angekündigt, dass er sich zur Verleihung nicht politisch, sondern ausschließlich literarisch äußern werde. Er bekannte dann in Stockholm aber doch seine Sorge über die zunehmenden Konflikte zwischen seinem Heimatland Türkei und der EU. Er sei "traurig" über die jüngsten Entwicklungen, aber weiter Befürworter eines EU- Beitritts seines Heimatlandes. Pamuk meinte: "Europa würde durch die Aufnahme der Türkei toleranter und multikultureller. Die Türkei selbst würde toleranter werden. Und die Welt würde lernen, dass es keinen Kampf der Kulturen gibt."

Pamuk will Nobelmedaille seiner Tochter schenken

Pamuk erhält die mit umgerechnet 1,1 Millionen Euro dotierte Auszeichnung zusammen mit den durchweg aus den USA kommenden Trägern der wissenschaftlichen Nobelpreise vom schwedischen König Carl XVI. Gustaf überreicht. Pamuk sagte im eher persönlichen Teil seiner Pressekonferenz, für ihn sei seine pro Jahr dreimonatige Gastprofessur an der Columbia-Universität in New York die "erste regelmäßig bezahlte Arbeit überhaupt". Bis zum Alter von 32 Jahren sei er von Taschengeld seines Vaters abhängig gewesen, ehe dann Büchertantiemen kamen.

Zu den möglichen Auswirkungen des Nobelpreises auf seine Zukunft sagte Pamuk: "Ich werde diesem hier nicht erlauben, meine Arbeit zu verändern." Natürlich habe sich seine finanzielle Lage geändert. Die Nobel-Medaille will Pamuk seiner 15 Jahre alten Tochter schenken, ohne sie zu schriftstellerischen Aktivitäten zu drängen.

Pamuk, der Pascha

Auf die Frage nach etwaigen Nobel-Ambitionen schon als junger Autor antwortet der in Istanbul lebende Pamuk mit sanfter Selbstironie: "Wenn man in der Türkei jung ist, träumt man davon, der Pascha zu sein. Und in Italien wohl der Papst."

Er schreibe alle seiner Bücher stets mit der Hand, habe zu ihnen ein Verhältnis wie zu eigenen Kindern und verfolge mit denselben Gefühlen auch den weiteren Weg. Nach fünf Romanen seit 1982 erschien zuletzt in deutscher Übersetzung kurz vor der Nobelpreisvergabe das autobiografische Buch "Istanbul - Erinnerungen an eine Stadt".

Bei politischen Fragen kurz angebunden

Pamuk reagierte auf politisch orientierte Journalistenfragen sichtlich angespannt und kurz, während er sich literarisch wesentlich ausführlicher sowie entspannter äußerte. Er stufte sich selbst als "experimentellen Modernisten" ein und nannte den Roman "Das Schwarze Buch" als aus eigener Sicht bisher wichtigste Arbeit.

Ausweichend antwortete er auf die Frage, ob er sich selbst für "nobelpreiswürdig" halte: "Das würde ich nur mit meinem Freunden in einem privaten Gespräch erörtern." Vor zwei Jahren hatte die Österreicherin Elfriede Jelinek erklärt, sie halte sich für eine "gute Regionalschriftstellerin" und des Nobelpreises nicht für würdig. Sie spiele im Vergleich zu einem Autor wie Thomas Pynchon aus den USA ja nur in einer unteren Liga. Pamuk nannte den Russen Fedor Michailowitsch Dostojewski (1823-1881) als "so großen Autor, wie ich es nicht bin". Weiter sagte er: "Was ich mit ihm teile, ist die Hass-Liebe bei der eigenen Beziehung zu Ost und West." (tso/dpa)

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