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Kultur: Nummer Sicher

Marius Meller über die Entschärfung mutmaßlicher Buchbomben Der Suhrkamp Verlag verdient unser Mitleid. In rabiater Weise wurden ihm im letzten Sommer wegen Martin Walsers skandalschwangerem Schlüsselroman „Tod eines Kritikers“ Versäumnisse zum Vorwurf gemacht – ausgerechnet als der große Siegfried Unseld im Sterben lag und die Führungsstruktur des ehrwürdigen Verlagshauses neu geordnet werden musste.

Marius Meller über die

Entschärfung mutmaßlicher Buchbomben

Der Suhrkamp Verlag verdient unser Mitleid. In rabiater Weise wurden ihm im letzten Sommer wegen Martin Walsers skandalschwangerem Schlüsselroman „Tod eines Kritikers“ Versäumnisse zum Vorwurf gemacht – ausgerechnet als der große Siegfried Unseld im Sterben lag und die Führungsstruktur des ehrwürdigen Verlagshauses neu geordnet werden musste. Damals löste ein Brandartikel von Frank Schirrmacher in der „FAZ“ mit Antisemitismusvorwurf noch vor dem Erscheinen des Buches die bislang härteste Debatte der bundesdeutschen Literaturgeschichte aus. Der Verlag entschied sich unter stärkstem öffentlichen Druck für seinen Autor, für die einige Tage lang durchaus fragliche Veröffentlichung von Walsers Roman.

Wenn sich der Suhrkamp Verlag nun einen Tag nach dem Brandbrief von Micha Brumlik in der „Frankfurter Rundschau“ mit dem Titel „Philosophischer Judenhass“ gegen die Wiederauflage von Ted Honderichs Buch „Nach dem Terror“ entschieden hat, so ist darin zunächst ein Akt der Schadensbegrenzung auf dem Hintergrund der WalserAffäre zu sehen. Nicht noch einmal darf der Verlag von Celan, Scholem und Adorno dem Vorwurf des Antisemitismus ausgesetzt sein. Es konnte ein schneller und harter Schnitt gemacht werden, auch weil diesmal gegenüber dem Autor keinerlei Loyalitätsverplichtungen bestanden. Aber die Entscheidung ist außerdem ein Schuldeingeständnis. Man kann nur den Kopf darüber schütteln, dass einem derart kompetenten Lektoren-Team die Debatte in kanadischen, US-amerikanischen und israelischen Zeitungen entgangen sein soll, die nur wenige Monate vor Drucklegung nicht unbeträchtliche Wellen geschlagen hatte. Mit zwei oder drei Mausklicks wäre sie im Internet nachzulesen gewesen. Hier muss man mitleidlos fragen, warum niemand den Fall genauer geprüft hat. Auch wenn ein Buch von Jürgen Habermas empfohlen wurde.

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