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Kultur: Öl auf Leinwand

Man hatte es geahnt, letzten September. Schon das erste Filmfestival von Venedig unter den neuen Herren Italiens stand unter düsteren Vorzeichen.

Man hatte es geahnt, letzten September. Schon das erste Filmfestival von Venedig unter den neuen Herren Italiens stand unter düsteren Vorzeichen. Die Berlusconi-Regierung boykottierte die Eröffnungsgala. Ein Kultur-Staatssekretär attackierte die Biennale-Leitung in Interviews, und erst wenige Tage vor Schluss kehrte so etwas wie die Ruhe nach dem Sturm ein. Berlusconi gegen Biennale, das hieß eisenhart: rechts gegen links. Und vor allem: Bloß weg mit der künstlerischen Autonomie dieser bedeutendsten Festspiele Italiens.

Nun ist das Werk vollbracht. Der Kulturminister hat einen Mann seinen Vertrauens, den ehemaligen Öl-Manager Franco Bernabe, an die Biennale-Spitze berufen. Die Reaktion ist total: Rücktritt der gesamten künstlerischen Leitung dieser aus zahlreichen Kultursparten bestehenden Dachorganisation, ganz vorne der erfolgreiche Filmfestchef Alberto Barbera. Die geschmähte "linke Bastion" ist geschleift, der Raum für nationale Kunstnabelschauen im Sinne Berlusconis geschaffen.

Was bringt den Mann aus dem Brennstoffgewerbe in die Kultur? Nun, es ist vielleicht nicht gleich so, als sei der Leibwächter des Herrn Schill zum Direktor der Berliner Festspiele berufen worden. Aber Beispiele lehren: Inkompetenz ist kein Manko, wenn sie nur in die politische Strategie passt. Andererseits: Anderweitig erworbenes internationales Renommee ist den machtbewussten italienischen Kulturreaktionären offenbar grundsätzlich verdächtig.

Der geistige Stickstoff, den Italien derzeit verbreitet, strahlt sogar bis zur Berlinale ab. Das Festival zeigt den Dokumentarfilm "Un altro mondo è possibile" von 32 italienischen Regisseuren über die Zusammenstöße beim G-8-Gipfel letztes Jahr in Genua. Die Kulturabteilung der italienischen Botschaft, die bei der Vermittlung des Films geholfen hatte, ist dieser Tage zu einer Art öffentlicher Selbstanklage gezwungen worden. Die Vorführung des Films werde von der Botschaft nicht unterstützt, hieß es in der nachgeschobenen Stellungnahme.

"Un altro mondo", eine andere Welt ist möglich? Eine schlechtere wohl nur. Im lieblichen Sehnsuchtsland Italien jedenfalls tragen die einen derzeit Maulkorb, die anderen Peitsche und Vollvisier.

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