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Kultur: Oh, what a lovely war!

"Hat der Dreißigjährige Krieg wirklich stattgefunden?" fragt Thomas DaCosta Kaufmann, Professor in Princeton, seine Zuhörer, die vor Staunen nach Luft schnappen.

"Hat der Dreißigjährige Krieg wirklich stattgefunden?" fragt Thomas DaCosta Kaufmann, Professor in Princeton, seine Zuhörer, die vor Staunen nach Luft schnappen.Im neuen Auditorium des Louvre, genau unter der Pyramide, hatte sich eine Internationale von Kunsthistorikern versammelt, um den 350.Jahrestag des Westfälischen Friedens auf ihre Weise zu feiern.Das zweitägige Kolloquium "1648; Kunst, Krieg und Frieden in Europa" verstand sich als Ergänzung zu der großen Ausstellung, die derzeit in Münster zu besichtigen ist.Paris hat Anlaß, das Jubiläum zu feiern: Der Friede von Münster und Osnabrück besiegelte Frankreichs Vormacht auf dem Kontinent, die es erst bei Leipzig und Waterloo wieder verlor.

Mit seiner provozierenden Frage wandte sich DaCosta Kaufmann gegen das Klischee von dem ausgebluteten, kulturell verwüsteten "Mutter Courage"-Europa, das der lange Krieg hinterlassen haben soll.(Der Berliner Gelehrte Hans-Dieter Gelfert ist sogar davon überzeugt, daß auch der deutsche Humor dem Dreißigjährigen Krieg zum Opfer fiel.) Der Professor aus Princeton verwies darauf, daß die erste Hälfte des 17.Jahrhunderts ein goldenes Zeitalter der europäischen Kunst war.1623, während Tilly siegreich nach Westfalen vordrang, wurde Velázquez Hofmaler in Madrid.1632, im Jahr der Schlacht bei Lützen, in der Gustav Adolf und der kaiserliche Reitergeneral Pappenheim fielen, malte Rembrandt die "Anatomie", Rubens den Ildefonso-Altar, van Dyck wurde Hofmaler in London.Die Rathäuser von Bremen und Nürnberg wurden während des Krieges gebaut, und die deutsche Musik erlebte mit Heinrich Schütz ihren ersten Höhepunkt.

Einige der minderen Talente spezialisierten sich auf die Darstellung von Schlachten.Pieter Snayers malte - wie Matthias Pfaffenbichler, Konservator am Kunsthistorischen Museum in Wien, berichtete - die Siege der kaiserlichen und spanischen Armeen, ohne je einer Schlacht beigewohnt zu haben.Anders der Holländer Adam Frans van der Meulen, der Ludwig XIV.auf seinen Feldzügen begleitete und nichts dabei fand, auch die Niederlagen seiner Landsleute auf der Leinwand festzuhalten.

Die heute verbreitete Vorstellung von der friedliebenden, gutbürgerlichen niederländischen Malerei nannte der amerikanische Kunsthistoriker Gary Schwartz "in der Sprache der Pop-Psychologie: Verdrängung".Das berühmteste Kriegsbild stammt freilich von einem Meister der allerersten Garnitur: "Die Übergabe von Breda" malte Velázquez 1635, zehn Jahre nach dem Ereignis.Es war Pech, daß die Holländer zwei Jahre, nachdem das Bild im Königssaal des Schlosses Buen Retiro aufgehängt worden war, Breda zurückeroberten.Velázquez wollte, wie Victor Stoichita, Professor an der Universität Freiburg, erläuterte, nicht nur den Sieg der spanischen Waffen verherrlichen, sondern auch den Sieg der spanischen über die niederländische Malerei.Statt die Kapitulation, wie üblich, hoch zu Roß von einem knienden Verlierer entgegenzunehmen, ignoriert General Spinola, ganz spanischer Kavalier, den ihm angebotenen Schlüssel der Festung und beglückwünscht Justinus von Nassau zu seiner heldenhaften Verteidigung.Die noble Szene hat nur einen Nachteil: sie ist unhistorisch.In diesem Punkt waren sich alle Maler der kriegführenden Parteien einig.Wie den Werbegrafikern von heute ging es ihnen nicht um die Wahrheit, sondern nur darum, ihren Auftraggeber zufriedenzustellen.

Natürlich hatte der Krieg auch seine Schattenseiten.Napoleon war nicht der erste, der Kunstraub im großen Stil betrieb.Nach der Eroberung Heidelbergs durch die katholische Liga schenkte der bayerische Kurfürst Maximilian die berühmte Bibliotheca Palatina dem Papst, der sie freudig annahm und nicht daran dachte, sie zurückzugeben.Auch Prag hat sich, wie Eliska Fuciková, Chefkuratorin auf dem Hradschin, resigniert gestand, damit abgefunden, daß die größte Sammlung der damaligen Zeit - die von Kaiser Rudolph II.- unwiederbringlich in alle Winde zerstreut ist.Den Anfang machten die protestantischen Stände, die mit dem Fenstersturz der kaiserlichen Räte den Dreißigjährigen Krieg auslösten.Sie fühlten sich von der "unverschämten Darstellung nackter Körperteile" abgestoßen und verpfändeten die aufreizenden Bilder bei Nürnberger Kaufleuten.1631 besetzte der Kurfürst von Sachsen Prag und ließ mehr als 50 Wagen mit kostbaren Gegenständen nach Dresden schaffen.Wenige Wochen vor Kriegsende plünderte der schwedische General Königsmark die verbliebenen Bestände und transportierte 500 Gemälde nach Stockholm.Mit dem Verkauf des Diebesguts finanzierte die katholisch gewordene Königin Christine ihr Exil in Rom.

Velázquez hatte den Krieg glänzend überstanden.Der Friede, den Spanien und Frankreich erst 1659 schlossen, ruinierte ihn.Im Frühjahr 1660 trafen sich Philipp IV.und Ludwig XIV.auf der Pfaueninsel an der beiderseitigen Grenze, um die neue Eintracht und die Ehe des französischen Königs mit einer spanischen Infantin feierlich zu besiegeln.Die beschwerliche Reise des Hofs, der mit Möbeln, Teppichen und Hausgeräten durch halb Spanien zog, hatte Velázquez zu organisieren.Erschöpft kam er Ende Juli nach Madrid zurück.Am 6.August war er tot.

JÖRG VON UTHMANN

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