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Im Lido in Berlin-Kreuzberg sind alle Auftritte vorerst abgesagt. 

© Kitty Kleist-Heinrich

Ohne Einkommen wegen Corona: Viele Künstler nutzen Sozialschutzpaket nicht

Obwohl es ihnen zusteht, nehmen viele selbstständige Kunstschaffende das „Sozialschutzpaket“ des Jobcenters nicht in Anspruch – weil es sie in ihrer Ehre kränkt?

In der Kulturszene gibt es ja nicht nur die Stars und die armen Poeten. Zwischen jenen, die Traumgagen kassieren, und jenen, die dauerhaft von der Hand in den Mund leben, existiert gerade in Deutschland eine breite künstlerische Mittelschicht. Deren Mitglieder sind entweder bei staatlichen Betrieben angestellt und erhalten dadurch regelmäßig ihren Lohn, oder sie bestreiten als Freiberufler ihren Lebensunterhalt. 

Vor allem unter Schauspielern, Sängern und Musikern galt Letzteres als besonders erstrebenswert – weil finanziell deutlich lukrativer. Lieber als selbstständiger Solist von Engagement zu Engagement jetten, als für jeden Gastauftritt beim Intendanten betteln zu müssen!

Diesen Künstlerinnen und Künstlern aber ist in der Coronakrise die Erwerbsgrundlage weggebrochen, und zwar buchstäblich von einem Tag auf den anderen. Durch den Lockdown der kompletten Kulturszene liegt ihr Einkommen bei null. Und doch können sich viele dieser erfolgsverwöhnten Spitzenkräfte nicht durchringen, Hilfe vom Jobcenter anzunehmen, dessen „Sozialschutzpaket“ auch selbstständigen Solokünstlern offensteht. 

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In der Sitzung der Bundestag-Kulturausschusses berichtete die CDU-Abgeordnete Elisabeth Motschmann in der vergangenen Woche davon, dass ihr Sohn, der zum kulturellen Mittelstand gehört, ihr erklärt habe, das Paket sei in Wahrheit nichts anderes als Hartz IV – darum fühle er sich von so einem Angebot in seiner Ehre gekränkt.

Kulturstaatsministerin Monika Grütters macht das traurig. Denn sie findet: „Diese emotionale Hürde wird allen anderen Berufsgruppen auch zugemutet.“ Und sie wird nicht müde, aufzuzählen, was das Paket neben der Grundsicherung von 432 Euro im Monat noch alles beinhaltet. 

Ein halbes Jahr lang wird die Miete vom Jobcenter übernommen – und zwar nicht als Pauschale, sondern in Höhe der tatsächlich anfallenden Kosten. Außerdem gibt es Kinderzuschläge und Nebenkostenerstattung.

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Nur sieben Seiten umfassen die Antragsformulare. Nicht einmal arbeitssuchend müssen sich die Künstlerinnen und Künstler melden – sie verbleiben offiziell in ihrem Status als Selbstständige. Anträge können bis Ende Juni gestellt werden, „Erstinformationen für Neukunden der Jobcenter“ gibt es unter der Hotline 0800 4555523.

Wenn die Betroffenen so sensibel auf die Namensgebung des Paketes reagierten, sagte Bernd-Wolfgang Weissmann vom Bundeswirtschaftsministerium im Bundestag-Kulturausschuss, könne man das Programm ja auch in „Corona-Grundeinkommen“ umbenennen.

Kein gutes Bild gaben zuletzt die Kulturminister der Bundesländer ab – obwohl in Deutschland die Kultur grundsätzlich Ländersache ist. Mehr als einen Monat hatte es nach dem Lockdown gedauert, bis die Minister überhaupt eine erste Telefonkonferenz veranstalteten, um über koordinierte Hilfen für die Szene zu beraten. Und dann kam am Ende nur der Ruf nach mehr Engagement des Bundes heraus. 

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