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Kultur: Ohne Sorgen

Die Berliner Philharmoniker und Simon Rattle suchen einen neuen Intendanten – ganz entspannt

Das erwartet man derzeit nun wirklich nicht, wenn man mit einem Vertreter der Berliner Kulturszene zusammentrifft: Peter Riegelbauer ist völlig entspannt, man möchte sogar sagen: richtig gut gelaunt. Riegelbauer ist Kontrabassist bei den Berliner Philharmonikern und so etwas wie der Fritz Kuhn der weltweit einzigen Orchesterrepublik. Zusammen mit seinem Kollegen Andreas Wittmann bildet er die Doppelspitze des Orchestervorstands. Riegelbauer ist also Sprachrohr des Orchesters – und seine Botschaft lautet: Alles wird gut. Dabei haben die Philharmoniker gerade einen der größten Skandale ihrer Geschichte hinter sich. Nach nur 16 Monaten im Amt räumt Franz Xaver Ohnesorg zum Jahresende seinem Intendanten-Sessel. Ganz sauber, fast ohne Aufhebens ging die Trennung unter Ehrenmännern über die Bühne. Kein böses Wort kommt darum über Peter Riegelbauers Lippen, seinen Blick will er nicht zurück auf überwundene Konflikte richten, sondern nur nach vorne. Und da steht die Wahl eines Ohnesorg-Nachfolgers ganz oben auf der Agenda. „Entgegen allen anders lautenden Gerüchten: Wir wollen und brauchen einen Intendanten.“ Eine Findungskommission gibt es bereits, am Anforderungsprofil wird noch gefeilt: Sicherlich werde künftig manches im Verhältnis zwischen Orchester, Chefdirigent und Intendant anders definiert werden, raisonniert Riegelbauer. Doch die Funktion als solche will das äußerst selbstbewusste, in wesentlichen Fragen basisdemokratisch organisierte Orchester keinesfalls in Frage stellen. Als „Motor“ soll der Intendant im hausinternen Dialog funktionieren, findet Riegelbauer, langfristige Projekte wie Jugendarbeit, Sponsoring und Außendarstellung koordinieren und vorantreiben. Dazu gehört auch die neue Publikums-Zeitschrift, deren erste Ausgabe anfangs am Orchester vorbei geplant wurde und dessen Erscheinungsbild noch verbesserungswürdig ist: „Die Publikation ist für alle Interessierten kostenlos, da ist es nicht ideal, wenn sie in der Anmutung eines teuren Hochglanzmagazins daherkommt.“ Einladend statt elitär will das Orchester auf potenzielles Publikum wirken, ohne sich darum anzubiedern wie etwa mit Jugendprojekten, die so tun, als wären die Philharmoniker eine coole Hiphop-Band.

Ganz wichtig ist es Riegelbauer nach den Erfahrungen der letzten Monate auch, dass der neue Intendant bereit ist, sich in den Berliner Kontext hineinzufinden, historisch Gewachsenes zu akzeptieren, Veränderungen sensibel anzugehen. Andererseits sucht man einen wachen Geist, der zu Simon Rattles ideensprühender Kreativität passt und zu einem Orchester des 21. Jahrhunderts. Darum wurde die Möglichkeit, nach Ohnesorgs Abgang einen erfahrenen Kulturmanager-Pensionär als Interimsintendanten zu berufen, auch verworfen. „Ein Jahr ohne Intendanten zu überbrücken, stellt für uns überhaupt kein Problem dar“, betont Riegelbauer. „Hier läuft nichts aus dem Ruder. Vor allem, weil Simon Rattle selber viel Zeit in Berlin verbringt, sehr dramaturgisch denkt und immer das Orchester als Ganzes im Auge hat – bis hin zur Wahl der Gastdirigenten.“

Geschadet hat das unerfreuliche Ohnesorg-Intermezzo dem Arbeitsklima innerhalb der Musiker-Truppe in Riegelbauers Augen übrigens nicht. Im Gegenteil: „ Und das Orchester ist so geschlossen, wie ich es noch nie erlebt habe. Wir verstehen uns blendend mit Simon Rattle und freuen uns wie verrückt auf die Arbeit der nächsten gemeinsamen Jahre.“

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