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Starke Bilder. Die Geschwister Sonia und Hanne Kam (li.) mussten sich in Brüssel verstecken.

© Steve McCurry/The Lonka Project

Online-Schau zeigt 200 Porträts: Sie entkamen als Kinder dem Holocaust

Manche wurden gerettet, andere kämpften beherzt, viele schwiegen lange: Eine Online-Schau im Willy-Brandt-Haus erzählt von Überlebenden des Holocaust.

Eddie Jaku strahlt in die Kamera. Er selbst bezeichnet sich als den glücklichsten Menschen der Welt. In dem Porträt der australischen Fotografin Louise Kennerley hat er den linken Ärmel seines Jacketts aufgekrempelt, so dass man seine Lagernummer sehen kann. Nachdem Eddie Jaku Auschwitz überlebt hatte, nahm er sich vor, jeden Tag zu lächeln.

Jetzt ist das Foto des 1920 in Leipzig geborenen Abraham Jakubowicz gemeinsam mit rund zweihundert Porträts von Überlebenden des Holocaust in der vorerst digitalen Ausstellung des Lonka Projekts im Willy-Brandt-Haus zu sehen. Die Schau geht zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz online und ist hoffentlich später auch physisch erlebbar. Denn besonders im Großformat vermitteln die Bilder eine Atmosphäre von Lebendigkeit.

Rina Castelnuovo und Jim Hollander, zwei Fotografen aus Israel, haben das Projekt 2019 gestartet. Gewidmet ist es Eleonore Nass genannt Lonka, der Mutter von Rina Castelnuovo, die fünf Konzentrationslager überlebte. [bis 11. April 2021 auf www.fkwbh.de]

Die beiden Fotografen, die jahrelang in Israel für die „New York Times“ und Reuters den Nahostkonflikt dokumentierten, nutzten ihre internationalen Kontakte. Insgesamt schickten über dreißig Fotografinnen und Fotografen rund vierhundert Porträts und Geschichten für das weltumspannende Archiv der Überlebenden.

Die meisten Porträtierten, die hier zu sehen sind, waren Kinder oder Jugendliche, als sie allein oder mit ihrer Familie deportiert wurden. Heute sind sie über neunzig Jahre alt. In ihre Gesichter hat sich das Leben eingeschrieben. Die tiefen Runzeln auf den Wangen oder die papierdünne Haut auf den Handrücken verraten ihre Verletzlichkeit. In ihren Geschichten ist noch immer das Wunder der Rettung zu spüren.

Der Überlebende Mordechai Perlov, aufgenommen in Südafrika.
Der Überlebende Mordechai Perlov, aufgenommen in Südafrika.

© Photo Roger Ballen / The Lonka Project, 2019

Lois Lammerhuber versucht, das Leben danach zu integrieren. Er porträtiert die Wienerin Liese Scheiderbauer lachend im Sessel. Dahinter öffnet die Kamera den Blick auf das ganze Wohnzimmer. „Ich lebe ein geschenktes Leben“, sagt Liese Scheiderbauer, die mit sieben Jahren nach Theresienstadt deportiert und 1945 von der sowjetischen Armee befreit wurde.

Shaul Paul Ladany hat zweimal überlebt. Als er acht Jahre alt war, retteten ihn amerikanische Juden mit Lösegeld aus dem Konzentrationslager Bergen-Belsen. 1972 entkam er bei den Olympischen Spielen in München dem Attentat der palästinensischen Terrorgruppe Schwarzer September. Der israelische Fotograf Tsafrir Abayov zeigt, wie der 93jährige Läufer einsam durch die Wüste Negev joggt.

Hat zweimal überlebt. Shaul Paul Ladany joggt durch die Wüste Nejev in Israel.
Hat zweimal überlebt. Shaul Paul Ladany joggt durch die Wüste Nejev in Israel.

© Photo Tsafrir Abayov / The Lonka Project, 2019

Den einen half das Glück, den anderen stille oder bekannte Retter wie Raoul Wallenberg oder Oskar Schindler. Manche kämpften beherzt. Und viele haben Jahrzehnte über die Schrecken geschwiegen. Der Ostkreuz-Fotograf Maurice Weiss lässt das Gesicht von Franz Michalski zögernd aus dem Schatten treten. Michalski, 1934 in Görlitz geboren, musste als Zehnjähriger seine Mutter davon abhalten, sich aus Furcht vor der Gestapo das Leben zu nehmen.

Gerda Weissmann Klein wurde von den Alliierten befreit. Der Magnum-Fotograf Patrick Zachmann hat sie mit einem Jugendbild ihres Mannes im Arm aufgenommen. Kurt Klein war mit vierzehn Jahren vor den Nazis in die Vereinigten Staaten geflohen, nachdem seine Eltern ermordet worden waren. Er kam mit den amerikanischen Streitkräften nach Deutschland zurück und befreite Gerda Weissmann im Mai 1945 aus dem Todesmarsch nach Volary. Die beiden verlobten sich im gleichen Jahr.

Das ist das Erstaunlichste an diesen Geschichten – der Mut der Menschen, nach den Traumata der Verfolgung ihre Zukunft zu gestalten.

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