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Oper: Die Dänenprinzessin

Stella Doufexis ist Hamlet an der Komischen Oper. Eine Begegnung.

Wer Stella Doufexis als Frau gegenüber sitzt, bekommt sofort Komplexe. Diese Lockenpracht, diese Bilderbuchzähne, diese sprechenden, lachenden Augen. Und einen gesegneten Appetit hat sie und singen kann sie auch – und wie. Ansonsten wirkt die deutsch-griechische Mezzosopranistin geradezu bestürzend normal. Kein Schal um den Hals (trotz pfeifenden Schauerwetters draußen vor der Tür), keine griffbereiten Pillchen oder Wässerchen, keine demonstrative Erschöpfung nach der ersten Bühnenorchesterprobe für die Uraufführung von Christian Josts „Hamlet“ an der Komischen Oper. Drei Stunden neue Musik in einem notdürftig markierten Bühnenbild – es gibt Dinge im Theaterleben, die mehr Erfüllung bieten.

Normal? Doufexis zuckt mit den Achseln und beißt herzhaft in ihr Schnitzel: „Das ist eine Generationenfrage. Moderne Sopranistinnen schweigen ihre Kinder nicht mehr tagelang an, nur weil sie eine schwere Partie vor sich haben. Die versuchen alle, ein halbwegs normales Familienleben zu führen. Und letztlich ist das für die Stimme meistens auch gut – man singt ja weniger.“ Aber geht in dieser Normalität nicht auch etwas verloren? Eine Aura, ein Geheimnis, die Persönlichkeit? „Ich glaube nicht, dass man nur dann eine gute Karriere haben kann, wenn man unglücklich ist und auf alles im Leben verzichtet. Das ist ein Mythos.“

Gemessen an diesem Hohelied der Normalität allerdings fühlt sich Stella Doufexis’ eigenes Leben gerade ziemlich extrem an. Alles dreht sich um Hamlet, Shakespeares grüblerischen Dänenprinzen, um „Sein oder nicht sein“ und die letzten, ersten Fragen unserer conditio humana, um Herrscherwahn und Blutrache, um Männlichkeit als System. Für Stella Doufexis ist Hamlet in der Vertonung ihres Ehemannes Christian Jost ein „logischer“ Halbbruder von Mozarts Cherubino und Richard Strauss’ Octavian. Eine Hosenrolle und also: ein noch „weicher“, „offener“ Charakter, ein junger Mensch, der viel denken muss, weil er über sich selbst so wenig weiß.

Ein Träumer, ein Zauderer, der typische Intellektuelle, der nur redet und nie etwas tut? Diese Lesart ist Doufexis zu simpel. „Die Frage ist: Warum bringt er seinen Stiefvater Claudius nicht um? Die Gelegenheit dazu hat er, aber er nutzt sie nicht. Und zwar nicht aus Schwachheit, sondern weil er das als Mensch nicht ist. Hamlet ist kein Mörder. Töten ist nicht seine Sprache.“ Die nicht-männlichen Anteile in der Figur seien es, sagt Doufexis, die am Ende in die Katastrophe führten. „Weiblich“ würde sie diese Anteile gar nicht unbedingt nennen.

Stella Doufexis stammt aus einer Theaterfamilie. Ihr Vater ist Schauspielregisseur, die Mutter hat lange das Deutschland-Büro des Komponisten Hans Werner Henze geführt. Schon als Vierjährige soll die kleine Stella ihren Onkel gefragt haben, was denn nun besser sei, Schauspielern oder Sängerin – „gesungen habe ich immer irgendwie“. So richtig ernst nimmt sie dieses Talent lange nicht. Auf diverse Rockbands in der Schule folgt schließlich „spaßeshalber“ die Aufnahmeprüfung an der UdK (damals noch HdK). Doufexis besteht und wundert sich und fängt an zu studieren. So richtig Feuer fängt sie bei der ersten Bühnenproduktion der Hochschule, Händels „Xerxes“. Die Szene, sagt die Mezzosopranistin, gehöre für sie ganz „logisch“ zur Musik dazu. Doufexis sagt gerne „logisch“.

Dass der Beruf vor der Wohnungstür nicht Halt macht, kennt sie also nicht anders. Wenn man sich den Alltag des Ehepaares Doufexis/Jost nun freilich so vorstellt, dass bis tief in die Nacht hinein über kniffelige Details der Hamlet-Partie gebrütet und diskutiert würde, dann ist das falsch und wiederum viel zu wenig normal. „Wir haben zu Hause kaum über das Stück gesprochen. Ich weiß nur, als ich die ersten Töne gehört und dann selber gesungen habe, habe ich gedacht: Ja, klar, anders kann Shakespeare heute, kann ,Hamlet’ eigentlich gar nicht klingen.“

Seit der Spielzeit 2005/06 ist Stella Doufexis Ensemblemitglied an der Komischen Oper. Daneben gastiert sie viel. Sie liebt das Haus an der Behrenstraße und kann alle guten Klischees nur bestätigen: „Hier gibt es kein Diventum, wir haben untereinander alle ein unglaublich schönes Gefühl. Wir wollen alle arbeiten.“ Mit manchen Regisseuren freilich hat Doufexis durchaus ihre Mühe. Nacktheit auf der Bühne etwa findet sie so unerotisch wie überflüssig. Und als das Schnitzel gegessen ist und der Wind pfeift, zieht sie doch hurtig einen Schal aus der Tasche. Man muss das Schicksal schließlich nicht herausfordern.

Am Sonntag um 19 Uhr wird Christian Josts „Hamlet“ an der Komischen Oper uraufgeführt. Regie führt Andreas Homoki, es dirigiert Carl St. Clair. Weitere Vorstellungen: 27. Juni., 2., 7., 12. und 19. Juli.

Christine Lemke-Matwey

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