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Die Finalszene aus "Feuersnot".

© Studio Camera

Oper: "Feuersnot" von Richard Strauss: Liebesgrüße aus Sizilien

Wir haben Richard-Strauss-Jahr - und ausgerechnet Palermo profiliert sich frühzeitig mit einer Ausgrabung: Dem weitgehend unbekannten Frühwerk „Feuersnot“.

Die monumentale Fassade des Teatro Massimo ist spektakulär. Aber vor allem ein Detail zieht die Aufmerksamkeit nicht nur deutscher Besucher auf sich. Ein Plakat verkündet das aktuelle Stück: „Feuersnot“ von Richard Strauss. Wie bitte? Ja, schon klar, wir haben ein Jubiläumsjahr. Aber dieser selbst in Deutschland fast unbekannten Oper ausgerechnet hier in Palermo zu begegnen, hat etwas Absurdes. In dieser im Grunde unitalienischen Stadt, die Afrika näher liegt als Rom, in der Vandalen, Araber, Normannen, Staufer geherrscht haben – und natürlich die Mafia. Abgerockte Fassaden, viele Balkone sind mit Netzen überspannt, um zu verhindern, dass sie abbröckeln. Hier also wird mit großem Aufwand eine Oper inszeniert, die eigentlich eine Lokalposse aus dem fernen München ist? Unglaublich.

Verantwortlich für den Coup ist Eytan Pessen. Der Israeli war Besetzungschef an der Stuttgarter Oper, als diese unter Klaus Zehelein ihre große Zeit erlebte, später Operndirektor in Dresden – Strauss’ Bayreuth, wo so viele seiner Werke uraufgeführt wurden. Jetzt berät Pessen das Teatro Massimo in künstlerischen Angelegenheiten, einen Intendanten gibt es zur Zeit nicht. Italiens Opernkrise wirft ihre Schatten auch auf Sizilien, obwohl sich das Massimo besser schlägt als andere Häuser. Neben „Tosca“ oder „Norma“ spielt man immer wieder auch seltene Werke – kommenden Oktober etwa „Schwanda, der Dudelsackpfeifer“ von Jaromír Weinberger. Logisch, dass einer wie Pessen nicht „Elektra“ oder „Rosenkavalier“ zeigen will, sondern eine Ausgrabung. Dem Strauss der „Feuersnot“-Jahre war Sizilien übrigens nicht fremd: Wie viele junge Männer um 1900 machte er damals eine anständige Bildungsreise, die ihn in nach Messina und Taormina führte. Es gibt also Bezüge.

DIe Hauptfigur ist unverhohlenes Abbild von Richard Strauss selbst

Auch zu Berlin: Immerhin hat Strauss die Oper hier geschrieben, auf ein Libretto von Ernst von Wolzogen. Seine Heimatstadt München hatte er im Zorn verlassen, weil sie ihm die – seiner Meinung nach verdiente – Anerkennung nicht gewähren wollte. Gekränkte Eitelkeit, die in „Feuersnot“ direkten musikalischen Niederschlag findet. Der Titel allerdings führt in die Irre. Hier geht es nicht, wie man meinen könnte, um eine Brandkatastrophe, sondern im Gegenteil um zu wenig Feuer, um Not an Feuer.

Kunrad, ein Sonderling und Kauz, wird auf der Sendlinger Straße zum Gespött der Spießbürger, weil er sich im Korb zu seiner Angebeteten Diemut, Tochter des Bürgermeisters, hochziehen lässt – die aber lässt ihn auf halber Strecke hängen. Aus Rache löscht er, unverhohlenes Abbild des Künstlers Strauss selbst, in der ganzen Stadt die Lichter, indem er seinen Meister Reichhart (ja genau: Richard Wagner) anruft. Auch sonst wagnerts in Libretto und Partitur völlig offen: Die Sonnenwendfeier, zu der sich das Ganze abspielt, ist identisch mit der Johannisnacht der „Meistersinger“, Fafner- und Walhall-Motiv erklingen, von „neid’ger Niedertracht“ ist die Rede. Aber auch Walzerklänge kommen zum Einsatz, erstmals in einem Strauss’schen Bühnenwerk überhaupt. „Feuersnot“ ist das spannende Dokument einer Umbruchzeit. Die Phase von Strauss’ Wagner-Verehrung ist noch ganz präsent. Und doch wird er sich kurze Zeit später emanzipieren und „Salome“ schreiben.

Das Teatro Massimo hat eine epische Geschichte. 1897 eingeweiht, mit 3200 Plätzen größtes Opernhaus Italiens, wurde es 1974 für Umbauarbeiten provisorisch geschlossen – und blieb es für 23(!) Jahre, trauriges Symbol für die Korruption der Mafia-Ära. Dann die glanzvolle Wiedergeburt 1997 mit den Berliner Philharmonikern und dem jüngst verstorbenen Claudio Abbado, der sich vehement für die Rettung des Massimo eingesetzt hatte. Wasserflecken prangen an der Decke. Das Haus zeigt seine Wunden, immer noch.

Ein starkes Finale: Flammen aus Menschenleibern lodern hoch

Regisseurin Emma Dante hat sich von Carmine Maringola ein hochgeschossiges, vieltüriges Haus bauen lassen, es könnte von Hundertwasser sein und soll München als kleingeistiges Schilda brandmarken. Das Volk: ein unablässig wogendes Knäuel aus Tänzern, die Strauss so sicher nicht vorgesehen hat, die aber der Inszenierung gut bekommen. Sie bringen Bewegung in die Szene, spiegeln Emotionen. Dante arbeitet außerdem viel mit Glühbirnen, die sie umso effektvoller ausschalten kann. Stühle hängen von der Decke, wozu, ist nicht klar, bis sich Dietrich Henschel als Kunrad in einem von ihnen hochziehen lässt. Die ganze Sehnsucht, den ganzen Zorn des verkannten Menschen legt er in seinen volltönigen, leicht angerauten Bariton. Aber er schwächelt in der Höhe und gestaltet seinen langen Monolog, eine Standpauke an die philiströsen Münchner, baumelnd im Stuhl, zu monochrom. Weißflammig Nicola Beller Carbone als Diemut, polternd und kernig Rubén Amoretti als Bürgermeister Ortolf Sentlinger, beide leider in wenig verständlichem Deutsch. Gabriele Ferro am Pult tut sein Möglichstes, diesen frühen Strauss zum Blühen zu bringen. Aber die Akustik des Massimo ist zu den dynamischen Spitzen besonders gut, während sie die Piani verschluckt.

Die Lichter kehren übrigens erst wieder, nachdem sich Diemut doch dem Kunrad hingegeben hat, soviel zum Frauenbild der Epoche. Das Schlussbild ist dafür fantastisch. Ein Wirbelwind aus orangefarbenen Tüchern, Tänzer springen und hopsen, es lodert und züngelt: Flammen aus Menschenleibern. Starkes Finale für ein Stück, in dem viel Menschlich-Allzumenschliches steckt. Palermo hat es vorgemacht, Dresden folgt im Juni: mit drei halbszenischen Aufführungen von „Feuersnot“ im Hof des Residenzschlosses.

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