zum Hauptinhalt
Orpheus

© dpa

Oper: Frust, gefrostet

Wenn Orpheus sang, berichtet Ovid in seinen "Metamorphosen", dann weinten Götter, Tiere und Steine: Haydns "Orpheus"-Oper im Berliner Bode-Museum.

Wenn Orpheus sang, berichtet Ovid in seinen „Metamorphosen“, dann weinten Götter, Tiere und Steine. Eine hohe Messlatte, gewiss – doch Christoph Hagels Inszenierung der Haydn-Oper „Orpheus und Eurydike“ im Bode-Museum rührt nicht mal die Menschen zu Tränen. Das mag daran liegen, dass Hagel alle Gefühle in ein strenges ästhetisches Korsett presst, das trotz aller gewollten Homoerotik blutleer bleibt. Das Museum wird zum Eispalast.

Alle Darsteller tragen ausschließlich Weiß, das Licht ist weiß, der Laufsteg auch und die Wände sowieso. Eine Sterilität, die alle Spuren von Orpheus’ Liebeswehen, von seinem aufbäumenden Schmerz, von Verzweiflung und Verlust still und leise austilgt wie fallender Winterschnee. Alexander Geller in der männlichen Titelrolle wirkt dem nicht entgegen: Steif und ohne erkennbare Anteilnahme scheint er sehr damit beschäftigt zu sein, tief in sein Inneres zu blicken. Sein solider, über weite Strecken angenehmer Tenor kann die mangelnde Bühnenpräsenz nicht wettmachen, zumal er immer wieder den Anschluss zum Orchester verliert.

Dort allerdings, bei den Berliner Symphonikern, hält Christoph Hagel als Dirigent die Zügel fest in der Hand. Ihre Rolle im Griff hat auch Monica Garcia Albea als Eurydike, auf deren Gesicht tief empfundene Freude und lähmendes Entsetzen gleichermaßen aufflackern. Zwar ist ihr Sopran in der Tiefe etwas eng, aber in der Höhe entfaltet er sich licht und schön. Christian von Oldenburg als König Creonte dagegen ist nur schön, wetteifert mit Hades (Choreograph Manu Laude) um den attraktiveren Oberkörper und bleibt als Darsteller starr wie ein Waschbrett.

Eine derart eingefrorene Lesart, wie sie Hagel präsentiert, ist in Haydns Partitur nicht angelegt. Die ist bewegt und abwechslungsreich, malt die Gefühle der Protagonisten mit großen Intervallsprüngen, wild und furios, innerlich und berührend. Komponiert in Mozarts Todesjahr 1791, wurde die Oper erst 1951 mit Maria Callas uraufgeführt. In Berlin war sie noch nie zu hören. Insofern hat Hagel hier, anders als mit seiner „Zauberflöte in der U-Bahn“, dem Werk einen notwendigen Dienst erwiesen. Ob die Aufführung gerade an diesem Ort einen Mehrwert an Erkenntnis bringt, ist fraglich.

Hagels Vorliebe für ungewöhnliche Spielstätten passt zwar zu Berlin, ist aber nicht davor geschützt, zum Selbstzweck zu werden. Die künstlerische Notwendigkeit einer Oper im Museum bleibt letztlich so unerklärt wie der Auftritt einer realen Schlange in einer ansonsten extrem künstlichen Inszenierung, die an ihrer Ästhetik schier erstickt. Die Schlange weint übrigens auch nicht. Udo Badelt

Bode-Museum, bis 14. Dezember.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false