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Kultur: Oper in der Kulturbrauerei: Sebastian Gottschick setzt im Prenzlauer Berg Händels "Flavio" unter Strom

Die Zeichen stehen auf Sturm bei der Neuen Opernbühne Berlin - nicht nur während der "Schiffbruchsarie" in ihrer neuesten Produktion, Georg Friedrich Händels "Flavio". Die Inszenierung in der Kulturbrauerei könnte die letzte in der Regie von Alexander Paeffgen sein, denn die verdienstvolle Off-Opern-Truppe ist aus der Basisförderung des Senats (200 000 Mark pro Jahr) herausgefallen und kommt somit in arge Budgetprobleme.

Die Zeichen stehen auf Sturm bei der Neuen Opernbühne Berlin - nicht nur während der "Schiffbruchsarie" in ihrer neuesten Produktion, Georg Friedrich Händels "Flavio". Die Inszenierung in der Kulturbrauerei könnte die letzte in der Regie von Alexander Paeffgen sein, denn die verdienstvolle Off-Opern-Truppe ist aus der Basisförderung des Senats (200 000 Mark pro Jahr) herausgefallen und kommt somit in arge Budgetprobleme. Vorerst haben sich die Opernmacher wie beleidigte Kinder in den Schmollwinkel zurückgezogen, wollen sich nicht für die kurzfristige Projektförderung bewerben und spielen lieber in der Buddelkiste barocke Komödie.

Das "Flavio"-Bühnenbild von Henrike Bromber ist tatsächlich eine große Sandfläche, in der die Liebenden Burgen bauen können oder mit Plastikrittern spielen, in der die widerstreitenden Väter auch schon mal ihre Pistolen verbuddeln. Im Hintergrund führt eine steile Treppe zum Thron Flavios, in die königlichen Höhen der Macht, die der Herrscher erst ganz zum Schluss verlassen wird, wenn sich die verworrene Intrige bereits zum Happy End aufgelöst hat. Da haben sich die Paare schon bekommen, wird ein Vater als Statthalter nach Britannien geschickt, während der andere tot im Sand verscharrt wurde.

Aber um die verworrene Handlung der Händel-Oper sollte sich niemand weiter bekümmern, und das hat Regisseur Alexander Paeffgen auch nicht getan. Sie ist ohnehin nur der szenische Aufhänger für üblichen barocken Musik-Affekte. Weil so eine dreiteilige da-capo-Arie nun einmal ziemlich lang ist, weil eben ihr erster Teil am Schluss wiederholt wird, will Paeffgen sie aufmöbeln mit allerlei Schnickschnack - und erreicht über weite Strecken doch nur jenen aufgesetzt überbordenden Tatendrang, der auch viele Inszenierungen Harry Kupfers auszeichnet. Warum etwa Flavio während seiner Arie rasiert werden muss, erschließt sich auch dem Gutwilligen nicht auf Anhieb. Warum Guido erst einen Grundschulstuhl und dann einen Barhocker erklimmen muss, um sich später darunter zu verstecken, bleibt rätselhaft.

Andere Motive werden später wieder aufgegriffen, wenn Emilia zum Beispiel einsam und verlassen jenes Tuch aus dem Sand gräbt, das vorher als Brautbett diente, und in das sie sich nun traumverloren hineinwickelt. Dichte Momente von großer emotionaler Kraft gelingen Alexander Paeffgen während der Sturmarie der Vitige zusammen mit dem Lichtdesigner Alex Kolbe, der den Sand blau, orange-rot und golden erstrahlen lässt.

Während die szenische Seite recht durchwachsen ausfällt, war Händels Theatermusik schon lange nicht mehr so überzeugend in Berlin zu hören. Wie Dirigent Sebastian Gottschick mit weit ausholenden Gesten sein Orchester zur Klangrede anfeuert, das weitgehend aus dem Ensemble Oriol besteht, davon könnte auch "Saul" an der Komischen Oper eine Portion gebrauchen. Besonders Bernarda Borbo als Emilia zeigt sich vokal agil, koloratursicher und stilistisch versiert. Sie und der wandlungsfähige Countertenor Martin Wölfel geben dem wichtigeren Liebespaar Kontur, Ulrike Stöve (Vitige) und Michaela Krusche (Teodata) nutzen ihren Spielraum, um auch das zweite Paar zu profilieren. Seinen stimmlichen Mitteln entsprechend, formt der zweite Countertenor Michael Harper die Titelfigur des Langobardenkönigs Flavio zur Soubrette um, und fügt so der "Komödie mit tragischem Unterton" eine gehörige Prise Boulevard hinzu.

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