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Kultur: Oper, Oper, Oper: Jörg Königsdorf über Mozart, Mozart und Mozart

Die jährliche Hitliste des Deutschen Bühnenvereins lässt sich seit Jahrzehnten in einem Punkt mit hundertprozentiger Trefferquote voraussagen: Der meistaufgeführte Komponist an deutschen Opernhäusern heißt: Mozart natürlich! Dank der Da-Ponte-Trias, der "Entführung" und vor allem dank der "Zauberflöte".

Die jährliche Hitliste des Deutschen Bühnenvereins lässt sich seit Jahrzehnten in einem Punkt mit hundertprozentiger Trefferquote voraussagen: Der meistaufgeführte Komponist an deutschen Opernhäusern heißt: Mozart natürlich! Dank der Da-Ponte-Trias, der "Entführung" und vor allem dank der "Zauberflöte". Jedes Haus von Flensburg bis Ulm hat zumindest eines dieser Werke immer parat, die Opernhauptstadt Berlin gleich alle zusammen, regelmäßig um touristenverdächtige Fest- und Feiertage herum geballt. Auch der Spielplan der Pfingstwoche bietet Mozart satt. Gleich heute beginnt die Mozart-Woche mit einem Doppelschlag: Wer aufgrund der verheerenden Kritiken für Thomas Langhoffs "Figaro" im vergangenen Jahr lieber das Presseecho auf seinen "Don Giovanni an der Staatsoper abwarten möchte, kann in der Komischen Oper mit Harry Kupfers Inszenierung der "Così fan tutte" ein zwar etwas angejahrtes, aber immer noch gut funktionierendes Stück Ensembletheater sehen. (Manche sagen, mit Kupfer-Inszenierungen sei es wie mit Wein: je älter desto gehaltvoller). Tags drauf legt die Staatsoper mit ihrer unverwüstlichen Everding-"Zauberflöte" nach - allein schon wegen der Schinkel-Bühnenbilder ein Touristen-Muss und dank der Mitwirkung einiger Glanzlichter aus dem Staatsopernensemble wie René Pape und Simone Nold auch für diejenigen eine Versuchung, denen es nur um die Musik geht.

Auch die "Hochzeit des Figaro" ist bei allen Berliner Opernhäusern im Repertoire - zum Pfingstsonntag entstaubt die Deutsche Oper noch einmal Götz Friedrichs Inszenierung von 1978 und frischt sie mit neuem Sängerblut auf: Vor zwei Jahren hatte Juanita Lascarro bereits einen berückenden Auftritt mit dem DSO als Solistin in Mahlers vierter Sinfonie. Auf ihre Susanna darf man neugierig sein. Das Hauptinteresse richtet sich diesmal freilich auf Christian Thielemann, der seinen ersten Mozart an der Deutschen Oper dirigieren wird. Fehlt von den Mozart-Hits nur noch die "Entführung aus dem serail", die am Pfingstmontag von der Komischen Oper, wiederum in einer alten, gut gepflegten Kupfer-Inszenierung nachgereicht wird.

Wer von Oper mehr und anderes als die reine Mozart-Pflege erwartet, wird schlecht bedient: Die Komische Oper stellt lediglich am Samstag noch einmal ihre Spiegelwände für die hundertsoundsovielte Vorstellung von Glucks "Orpheus" auf und die Deutsche Oper bietet mit ihrer szenisch rudimentären "Aida" und zwei "Zar und Zimmermann"-Terminen zwar immerhin Spielplanvielfalt, aber wenig verlockendes Musiktheater. Das ist im Fall des "Zaren" besonders schade, weil eigentlich die Zeit reif ist für eine Renaissance von Lortzings Opern. Nur, dafür bräuchte es einen Dirigenten, der diese Musik entschlossen aus der Gemütlichkeitsecke herausholt und ihr Tempo, Witz und Theatergeist zurückgibt. Und einen Regisseur, der einen Weg findet, mit den Volkstümlichen Klischees von Holzschuhtanz und Bürgermeisterbräsigkeit umzugehen. Das wäre wirklich einmal ein Musiktheaterereignis, mit dem Berlin richtungsweisend sein könnte.

Seine einstmals führende Stellung als einer der meistaufgeführten Komponisten wird Lortzing aber vermutlich nicht wieder einnehmen können - kennzeichnend, dass die Opernbühnen in ihren Spielplänen für die kommende Saison vor allem das Verdi-Jahr 2001 (hundertster Todestag) und nicht das Lortzing-Jahr (zweihundertster Geburtstag und hundertfünfzigster Todestag) feiern. Vorerst hat Mozart in Berlin nur einen ernst zu nehmenden Konkurrenten: Er heißt "Keine Vorstellung" und ist auch in dieser Woche gleich sechsmal dabei. Aber wer will den schon sehen?

Aus der Serie: \"Sotto voce\"

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