zum Hauptinhalt

Kultur: Oper: Orpheus in der Unterwelt: "eurydike@unterwelt"

Von wegen Unterwelt. Alles so irdisch hier.

Von wegen Unterwelt. Alles so irdisch hier. Eine Beziehungskiste steht da im Raum, er Medizinstudent, sie Computerspezialistin. Die Liebe ist schal, eine verpatzte Gelegenheit, gespickt mit Gezänk (Öl oder Butter zum Rösten von Croutons?) und Eifersüchteleien. Das Paar monologisiert im Duett vor sich hin, rund um ein Monstrum von Multifunktionsmöbel, das wahlweise als Computertisch, Küchentresen, Krankenlager, Podium oder Trauminsel fungiert. Die Festplatte wird von einem Waschbrett gespielt, und die Maus ist ein umgedrehter Wasserkessel mit Gummischlauchkabel. Klingt lustig. Ist aber Off-Kultur von der eher prätentiösen Art.

Orpheus entdeckt das Internet und verliert sich im Zwischenreich von Wirklichkeit und Cyber-Space. Als Online-Junkie erhebt er die Stimme, Monteverdi, Gluck, Ovid, Rilke, Hexameter, die ganze Palette. Ein Cello ist mit von der Partie, außerdem ein präpariertes Klavier und ein Effektverstärker. Der macht Echos und verzerrt die Stimmen wie in den Science-Fictions der 70er Jahre. Also klingen die Geister im Hades so ähnlich, wie wenn Harald Schmidt die Arche Noah als Laubsägearbeit rekonstruiert und mit Flüstertüte Gottvater improvisiert. Eurydike gibt sich mal sexy, mal zickig: ein schönes Weib, das lockt oder nervt oder durch Abwesenheit glänzt. So sind sie eben, die Frauen.

Komponist Hans Petith und Texterin Johanna Martin versuchen mit "eurydike@unterwelt" in der Neuköllner Oper die Quadratur des Kreises: "Orfeo" als Computerspiel. Sie vernetzen den Mythos mit Singspiel und Kinderlied, mit PC-Jargon und Touchscreen-Effekten. Ein Virus befällt die Festplatte und verursacht Kurzschlüsse, zwischen Barockoper und Minimal Music, hohem Ton und den Niederungen der Computersprache: "Das Programm wurde nicht richtig beendet. Sie können warten, bis es wieder verfügbar wird oder den Computer neu starten."

Zuletzt ist Monteverdi eine zerschossene Datei. Orpheus lallt, Eurydike stottert. Bis dahin haben Matthias Jahrmärker und Asita Djavadi sämtliche Register gezogen, Pathos, Alltag und Charge angeklickt, Arienschnipsel geschmettert und sich zu Möchtegern-magischer Lichtregie vor und hinter Gazeschleiern verrenkt. Final Fantasy als leibhaftige Computeranimation: Nein, Eurydike wohnt hier nicht mehr.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false