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Dem Damwild allein klag ich meine Pein. Anna Samuil als Marenka Foto: Fieguth

© Joachim Fieguth

Opernkritik: Stemmen und Sägen

Mit Zaubertrick-Berater: Die Staatsoper spielt Smetanas „Verkaufte Braut“ unter der Regie von Balázs Kovalik im Schillertheater.

„Wenn ich geahnt hätte, was Smetana aus meiner Operette machen würde, hätte ich mir mehr Mühe gegeben“, gestand der Librettist Karel Sabina einst reumütig. Hätte irgendjemand an der Staatsoper geahnt, was in Smetanas „Verkaufter Braut“ alles steckt, hätte man sich sicher auch mehr Mühe gegeben mit seiner komischen Oper. Allein, es mangelt im Schillertheater an den elementarsten Voraussetzungen für eine aufregende Reise ins böhmische Paradies, für die Entdeckung eines Landstrichs der Sehnsucht, der so leicht und so melancholisch, so aufbrausend und so verträumt zugleich klingen kann.

Doch Sentiment und Furor, diese Unruhe in der kostbaren Mechanik von Smetanas Musik, liegen Karl-Heinz Steffens unendlich fern – und darin steckt auch ein Quantum bitterer Ironie. Bis 2007 war Steffens Soloklarinettist der Berliner Philharmoniker, ehe er die Seiten wechselte und heute sowohl Chef der Staatskapelle Halle als auch der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz ist. Ein furioser zweiter Berufsstart, kraftvoll protegiert von Daniel Barenboim seit Steffens Staatsopern-Debüt 2008. Inzwischen dürften die Kalender der beiden Dirigenten-Solisten ungefähr gleich viele Einträge vorweisen. Da kann es passieren, dass man vor lauter Taktieren übersieht, dass man ihn womöglich kennt, den Schlüssel zum Werk. Die Klarinetten sind es, die die Tiefenschichten der „Verkauften Braut“ musikalisch öffnen, einen verschatteten Weg zwischen Drang und Drangsal.

Doch da ist kein Hinkommen, das verheißt schon die Ouvertüre, zu deren holzschnittartiger Schlagart es sich auf der Bühne wunderbar Holz sägen lässt. Ob Polka oder Furiant, nie kommt diese anscheinend unverwüstliche Musik zum Tanzen. Und offenbart dabei, wie zerbrechlich sie eigentlich ist. Wenn die Füße nicht zucken, sind sie eingeschlafen. Und viele eingeschlafene Füße vermögen nun mal nicht das, was Operntruppen aus dem östlichen Europa gerne als „spielfreudiges Ensemble“ anpreisen.

Duplizität der lähmenden Ereignisse: Regisseur Balázs Kovalik lässt die „Verkaufte Braut“ in den Versatzstücken eines Heimatkundemuseums spielen, mit perfekt ausgeleuchteten Kühen auf Rollenpodesten und Bambis mit elektrifizierten Augen. Man singt in Vitrinen von Gefühlswallungen aus grauer Vorzeit. Das füllt optisch leidlich die Bühne, verweigert sich aber jeder weiteren Auseinandersetzung mit dem Stück. In Ungarn, wo Kovalik unlängst seinen Job als Künstlerischer Leiter der Staatsoper verlor, mag Folklore aus dem Glasschrein als Symbol des Widerstands gegen eine nationalistisch geprägte Kulturpolitik gelten. Traurig genug. An der Staatsoper wird den Sängern von Regisseur wie Dirigent die Chance geraubt, sich in eine Rolle hineinzusingen, tatsächlich in eine Handlung mit nachvollziehbaren Gefühlen einzusteigen.

In seiner verkauften Haut fühlt sich das Ensemble dann auch hörbar unwohl. Anna Samuil hat die Leichtigkeit eingebüßt, über die eine Marenka selbst in ärgster Seelennot noch gebieten kann. Ihr Sopran will vor Schwere zu Boden sinken, jedes Hinaufstemmen klingt qualvoll. Burkhard Fritz versucht, das heldische Rückgrat seiner Stimme zu leugnen, ohne dabei jene lyrischen Freiheiten zu gewinnen, die seinen egomanen Jenik zu einem unentrinnbaren Mannsbild formen. Dass dieses steife Paar nach drei Stunden geschafft und unfroh auf den Brettern liegt, verwundert nicht. Etwas besser ergeht es Pavlo Hunkas unverdrossenem Heiratsvermittler, dessen Bassbariton souverän durchhält, auch wenn von ihm keine frappierenden Momente ausgehen. Florian Hoffmanns Dorfdepp Vasek hätte stimmlich wie darstellerisch das Zeug zur Identifikationsfigur, wäre die Regie nicht ebenso lieblos mit ihm verfahren wie der Mob.

Der lange Besetzungszettel weist auch eine „Beratung in Zaubertricks“ aus. Eine Investition ohne Gewinn. Wer nicht mit dem doppelten Boden umzugehen weiß, vermag auch nicht zu zaubern.

Wieder am 22., 26., 30. 11. sowie 2., 5. 12.

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