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Kultur: Opfer einer Pose Erzählungen von Claire Vaye Watkins

Ein Schicksal, das nach Literarisierung schreit – und Schreiben fast unmöglich macht. Claire Vaye Watkins, die junge Autorin dieser bemerkenswerten Debüterzählungen, ist die Tochter von Paul Watkins, der wiederum die rechte Hand des Mörders Charles Manson war und so früh starb, dass die Geschichten von Mord, Drogen und seltsamen Sexpraktiken in der Manson-Familie wie ein geheimnisvoller mythischer Hintergrund die Kindheit der Autorin grundierte, ohne je konkret fassbar zu sein.

Ein Schicksal, das nach Literarisierung schreit – und Schreiben fast unmöglich macht. Claire Vaye Watkins, die junge Autorin dieser bemerkenswerten Debüterzählungen, ist die Tochter von Paul Watkins, der wiederum die rechte Hand des Mörders Charles Manson war und so früh starb, dass die Geschichten von Mord, Drogen und seltsamen Sexpraktiken in der Manson-Familie wie ein geheimnisvoller mythischer Hintergrund die Kindheit der Autorin grundierte, ohne je konkret fassbar zu sein. Weil sie sowieso jeder nach der Geschichte ihres Vater fragt, erzählt sie in der ersten Erzählung alles, was sie von ihm weiß. „Mein Vater hat niemanden umgebracht. Und er ist kein Held. Es ist nicht diese Art von Geschichte.“

Einerseits will sie ihre berühmte Vorgeschichte endlich aus dem Weg räumen. Andererseits lässt sie sich von ihrer spektakulären Biografie durchaus ihre Erzählweise vorgeben: eine fürs Gespenstische empfängliche, achselzuckende Coolness nach dem Motto: Was soll man machen? Erst stirbt der Vater, dann bringt sich auch noch Mama um.

Clayre Vaye Watkins ist für ihre 28 Jahre eine erstaunliche reife Erzählerin, was Aufbau, Motivführung und atmosphärische Dichte ihrer alle in der Wüste Nevadas angesiedelten Geschichten betrifft. Dennoch quält die Lektüre bald, wegen eines forcierten Machoduktus, der viel zu lässig ist für die Gegenstände, die verhandelt werden.

Claire Vaye Watkins tritt sozusagen die Flucht nach vorn an: bloß keine Opferhaltung! Das ist verständlich, macht die daraus resultierende Abgebrühtheit ihrer Figuren trotzdem nicht angemessener. „An dem Tag, als Mom den Löffel abgab, zog Razor Blade Baby ein“, beginnt augenrollend die Erzählung „Geister, Cowboys“.

Die jungen Frauen und Männer, die auch in den anderen neun Geschichten an zerrütteter Kindheit, Liebeskummer oder allgemeiner Twentysomething-Lebensverwirrung leiden, haben schon alles erlebt, etwa, wie es sich anfühlt, in einem Bordell zu arbeiten oder Fastvergewaltigungen in Hotels von Las Vegas. Aber warum müssen sie auch ständig so reden? „Nicht schlecht“, sagte sie. „Oral, anal, Missionar, von hinten, volle Ladung ins Gesicht. Nichts Extravagantes.“ So wird Claire Vaye Watkins doch noch Opfer: Opfer einer Pose. Andreas Schäfer

Claire Vaye

Watkins:

Geister, Cowboys.

Stories. Aus dem

Amerikanischen von

Dirk van Gusteren.

Ullstein Verlag,

Berlin 2012.

300 S., 19,99 €.

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