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Experte für Barock und Klassik. Dirigent Ton Koopman.

© Foppe Schut

Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker: Entdecker bei der Arbeit

Ein aufschlussreicher Abend mit dem Dirigenten Ton Koopman und den jungen Musikerinnen und Musikern der Orchesterakademie.

Elitär zu musizieren, ohne sich selbst elitär zu verheben, ist beileibe nicht jedem Künstler gegeben. Ton Koopman, drahtige 72, hat diese Gabe wie kaum ein zweiter. Der in der Musikwissenschaft wurzelnde Barock- und Klassikspezialist darf als ein praktizierender Experte gelten, seine Interpretationen verströmen stets die Exklusivität des Informierten. Tritt er mit seinen Amsterdamer Ensembles auf, könnte man meinen, sie atmeten sogar zusammen mit ihm ein und aus, denn sie wissen genau, was er will.

Diesmal ist Ton Koopman zur Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker bestellt. Die jungen Musikerinnen und Musiker wollen herausgefordert sein und zeigen, was sie können. Koopman macht ihnen im Kammermusiksaal mit großartiger Nonchalance klar, wo sie stehen – und aus Bach, Haydn und Schuberts fünfter Sinfonie nichtsdestoweniger ein herzerwärmendes Konzert.

Mit der meisterhaften Beherrschung des Instruments ist es nicht getan

Schon im ersten Satz der berühmten dritten Orchestersuite zeigt sich, dass es gerade in Bachs barocken Verschnörkelungen wesentliche Herausforderung bleibt, aus exzellentem, aber stark individualisiertem Nachwuchs einen schnörkellosen Ensemblegeist zu formen. Wohl hat Koopman hier mit großer Detailgenauigkeit an Verzierungen und Phraseologie gearbeitet, und er kennt seine Affektenlehre hinauf und hinunter – aber wenn zum Beispiel die Basso-continuo-Gruppe ständig dem Streicherblock eine Nuance hinterherspielt, muss noch viel Arbeit als unerledigt gelten. Vermutlich gehört Bachs Musik, zumal historisch informiert, einfach nicht zu den Prioritäten in der Ausbildung für ein sinfonisches Orchester.

Auch in Haydns B-Dur-Sinfonia concertante wird deutlich, dass es mit der fraglos meisterhaften Beherrschung der Instrumente nicht getan ist. Gerade diese Musik, die so leicht klingen soll, offenbart in der notwendigen gemeinsamen Vorstellungskraft ihre vertrackte Schwierigkeit. Hierfür braucht man Gespür, Erfahrung, eine klare Handschrift und den Willen, sich zusammenzufinden. Selbstverständlich darf man den prinzipiell allen Akademisten unterstellen, und bis auf einige wenige Patzer beeindruckt ihre technische Brillanz. Insbesondere Fagottsolist Marceau Lefèvre ragt hier mit seinem besonders geschmeidigen Ton heraus. Aber erst bei Schuberts früher Sinfonie findet das Ensemble wirklich zueinander, verbindet sich, was vorher immer wieder auseinanderzudriften drohte. Dem technischen Vermögen gesellt sich die künstlerische Kooperation hinzu, was erst in der Summe zu wirklicher Musikalität führt. Ein bejubelter Abend des Fortschritts.

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